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Die heilige Ursula Julia Maria Ledóchowska
(9. Mai 2003)

Ferdinand Holböck

Hinweis/Quelle: Der Beitrag erschien in: Ferdinand Holböck, Neue Heilige der katholischen Kirche. Band 1: Von Papst Johannes Paul II. in den Jahren 1979 bis 1984 kanonisierte Selige und Heilige, Stein am Rhein 1991, 137–141. Der Ausdruck „selig“ („Selige“) wurde im Hinblick auf die Heiligsprechung am 18.05.2003 durch „heilig“ („Heilige“) ersetzt.

Die am 20. Juni 1983 von Papst Johannes Paul II. in Posen seliggesprochene Ursula Julia Maria Ledóchowska wurde am 17. April 1865 in Loosdorf bei Melk (Niederösterreich) als Tochter des Grafen Anton Halka-Ledóchowski und der Gräfin Josephine Salis-Zizers und als Schwester der um zwei Jahre älteren Maria Theresia, der späteren seligen Gründerin der Petrus-Claver-Sodalität, geboren. Ein Jahr darauf, 1866, erhielt Julia Maria ein Brüderlein: Wladimir, den späteren heiligmäßigen Ordensgeneral des Jesuitenordens (von 1915 bis 1942).

Die ersten neun Jahre ihres Lebens verbrachte Julia Maria in Loosdorf. 1874 übersiedelte die Grafenfamilie nach St. Pölten, wo Julia Maria zusammen mit ihren Schwestern Maria Theresia und Fanny am Institut der Englischen Fräulein Schulunterricht erhielt. Schon in dieser Zeit reifte Julia Marias geistliche Berufung.

Der kränkelnde Vater sehnte sich in dieser Zeit immer mehr nach seiner polnischen Heimat. So kam es 1883 zur Übersiedlung nach Polen, konkret nach Lipnica in Galizien in der Nähe von Krakau. Dort starb Graf Ledóchowski zwei Jahre später, 1885, nachdem er vorher noch den Ordensberuf Julia Marias gutheißen hatte.

Am 18. August 1886 trat Julia Maria bei den Ursulinen in Krakau ein und erhielt bei der Einkleidung als Ordensnamen den der heiligen Ursula. Am 28. April 1889 legte sie die ewigen Gelübde ab und wurde nun im Unterricht bei der weiblichen Jugend als Erzieherin und Lehrerin eingesetzt. Sie erfüllte ihre Aufgaben mit großem apostolischem Eifer. Für die Schülerinnen errichtete sie ein Pensionat und gründete unter den Studentinnen die Vereinigung der Marienkinder. Von 1904 bis 1907 war Schwester Ursula dann Priorin des Krakauer Ursulinenklosters. Als solche gründete sie in Petersburg (Leningrad) ein Internat für polnische Studentinnen, weil sie vom Pfarrer der St. Katharinen-Kirche, dem Monsignore Konstantin Budkiewicz, darum gebeten worden war. 1907 gründete Schwester Ursula ein Ursulinenkloster in Petersburg und ein gleiches in Sortavala in Finnland. Hier nahm sie auch sehr intensive ökumenische Kontakte zu den getrennten Glaubensbrüdern auf und übersetzte den Katechismus ins Finnische, ebenso ein religiöses Liederbuch. Für arme Fischer und deren Familien gründete Schwester Ursula ein Ambulatorium, das kostenlos den Kranken half.

Wegen ihrer apostolischen Tätigkeit wurde Schwester Ursula bald von der russischen Presse und von den russischen Polizeibehörden streng beobachtet, unter Druck gesetzt und verfolgt und schließlich bei Beginn des Ersten Weltkrieges als österreichische Staatsbürgerin aus Rußland ausgewiesen. Sie wurde Asylantin im neutralen Schweden, hielt aber zu ihren in Rußland verbliebenen Mitschwestern guten Kontakt und ermunterte diese zum Durchhalten. Im protestantischen Schweden nahm Schwester Ursula bald wieder Kontakt auf zu den getrennten Glaubensbrüdern, voran zu dem großen Pionier des Ökumenismus, dem lutherischen Erzbischof Nathan Söderblom. In ihrem apostolischen Eifer nahm sie sich besonders der zerstreut in der Diaspora lebenden Katholiken an und schuf für diese verschiedene Möglichkeiten zu gemeinsam verbrachten Einkehrtagen und Exerzitien. Auch gründete sie 1915 eine Marianische Kongregation und schuf eine katholische Monatszeitschrift unter dem Titel „Solglimtar“, die noch heute unter dem in „Katolsk Kyrkotidning“ geänderten Titel in Uppsala erscheint.

Auf den Appell des Friedenspapstes Benedikt XV. an alle Menschen guten Willens, sich der in Not geratenen Kriegsopfer anzunehmen und ihnen nach Kräften zu helfen, antwortete Schwester Ursula mit einer großangelegten Caritas-Aktion für ihre im Exil lebenden polnischen Landsleute. Daher hielt sie während der Kriegsjahre 1915 bis 1918 in den skandinavischen Ländern in sechs verschiedenen Sprachen mehr als 80 Konferenzen, auf denen sie über Kultur, Literatur und Geschichte des polnischen Volkes sowie über sein Recht auf Freiheit, Unabhängigkeit und staatliche Selbständigkeit sprach. Für den gleichen Zweck gründete sie verschiedene örtliche Komitees, die an das Generalkomitee in der Schweiz, dem der große polnische Dichter Heinrich Sienkiewicz (+ 1916) vorstand, Hilfsmittel senden sollten. Schwester Ursula arbeitete in Skandinavien zu diesem Zweck mit verschiedenen Persönlichkeiten des Geisteslebens zusammen. 1917 publizierte sie in drei Sprachen in Stockholm das Werk „Polonica“. Im gleichen Jahr ging diese ungemein rührige, dynamische Ordensfrau nach Dänemark, um sich in diesem Land der polnischen Emigranten anzunehmen. 1918 schuf sie für polnische Mädchen in Aalborg eine Hauswirtschaftsschule und ein Waisenheim.

Nach Kriegsende kehrte die heilige Ursula Ledóchowska 1920 in das wieder frei und unabhängig gewordene Polen zurück, um sich wieder ganz in die Gemeinschaft ihres Mutterklosters in Krakau einzufügen. Dabei merkte sie aber bald, daß sie sich zusammen mit ihren im Ausland tätig gewesenen Mitschwestern durch die ganze Art ihres Einsatzes während des Ersten Weltkrieges der Lebensform der Ursulinen in Krakau entfremdet hatte, zumal ihr Einsatzziel nicht mehr so sehr die Mädchen aus besseren Familien, sondern vor allem die Verarmten, die gebrechlichen Alten und die Kinder heruntergekommener Familien gewesen waren. So trennte sich Ursula Ledóchowska mit ihren Schwestern im Einverständnis mit dem Heiligen Stuhl in Rom vom polnischen Ursulinenorden und gründete den selbständigen Zweig der „Ursulinen von dem Todesangst leidenden Herzen Jesu“ („Orsoline del Sacro Cuore di Gesú Agonizzante“, in Polen „die grauen Ursulinen“ genannt). Diese Ordenskongregation erhielt 1923 erstmalig die probeweise kirchliche Approbation, 1930 bereits die definitive. Sie zählte, als die Gründerin am 29. Mai 1939 in Rom 74jährig starb, bereits mehr als 100 Mitglieder in 35 Klöstern. Heute sind es 95 Niederlassungen in Finnland, Frankreich, Italien, Polen, Brasilien, Kanada und seit 1980 auch in der Bundesrepublik Deutschland.

Zur Spiritualität von Schwester Ursula und ihrer Ordenskongregation gehört eine besondere Verehrung des göttlichen Herzens Jesu in seiner Todesangst. In den von der heiligen Ursula Ledóchowska verfaßten Konstitutionen heißt es vielsagend: „Christus und die Liebe seines Herzens verkünden – das ist die spezifische Aufgabe unserer Kongregation. Wir erfüllen sie durch all jene Tätigkeiten, die sich die Ausbreitung und Vertiefung des Glaubens besonders durch den Unterricht und die Erziehung der Kinder und Jugendlichen und durch den Dienst an unseren ärmsten und unterdrückten Brüdern zum Ziel setzen.“ Weiteren Aufschluß über die Spiritualität der heiligen Ursula Ledóchowska geben ihre Publikationen.

Viel Hilfe für ihr persönliches Heiligkeitsstreben empfing Mutter Ursula aus dem ansteckenden Vorbild ihrer 1975 seliggesprochenen Schwester Maria Theresia Ledóchowska und ihres Priesterbruders Wladimir Ledóchowski, des 26. Generaloberen des Jesuitenordens, der ein heiligmäßiges Leben führte und für den ebenfalls der Seligsprechungsprozeß läuft.

Papst Johannes Paul II. hat bei der Seligsprechungsfeier in Posen am 20. Juni 1983 folgendes über die neue Heilige gesagt:

Am heutigen Tag will ich in besonderer Weise den Herrn lobpreisen, weil ich mitten unter euch, liebe Landsleute, hier in Posen die Dienerin Gottes Mutter Ursula Ledóchowska durch die Seligsprechung zur Ehre der Altäre erheben darf. Sie stammt aus einem bekannten polnischen Geschlecht. Lipnica Murowana in der Diözese Tarnow, wo die Familie Ledóchowska ihre Besitzung hatte, ist der gleiche Ort, aus dem im 15. Jahrhundert der selige Szymon von Lipnica stammte. Die leibliche Schwester von Mutter Ursula – Maria Theresia Ledóchowska, allgemein bekannt als „Mutter Schwarzafrikas“, die Gründerin der Missionsschwestern vom hl. Petrus Claver – wurde vor acht Jahren von Papst Paul VI. seliggesprochen.

Die Berufung Ursulas galt der Jugenderziehung, außerdem der vielgestaltigen Hilfe in der kirchlichen Seelsorge. Den Weg zu dieser Berufung entdeckte sie im Krakauer Kloster der Ursulinen. Von dort brach sie 1907 mit Wissen von Papst Pius X. zur apostolischen Tätigkeit zuerst in das damalige Petersburg auf. Im Jahre 1914 zum Verlassen Rußlands gezwungen, setzte sie ihr Apostolat in den skandinavischen Ländern fort und entwickelte eine mannigfaltige Tätigkeit für ihr gequältes polnisches Vaterland. Als sie nach dem Krieg Papst Benedikt XV. darum bat, ihre neue Ordenskongregation zu bestätigen, die in ungewöhnlicher Weise während ihres Apostolats entstanden war, erhielt sie eine Bestätigung. Der damalige Jesuitengeneral, zugleich leiblicher Bruder von Mutter Ursula, P. Wladimir Ledóchowski, war gegenüber dem Heiligen Stuhl Fürsprecher für das Werk seiner Schwester. Großen Einfluß auf das Leben der seligen Ursula und ihrer Geschwister übte der Großonkel Kardinal Mieczyslaw Ledóchowski, Erzbischof von Gnesen und Posen, Primas von Polen und später Präfekt der Kongregation für die Glaubensverbreitung, aus. Wir wissen, daß er gerade hier in Posen auch noch im Gefängnis gegen die Politik des preußischen Kulturkampfes für die Bewahrung des Glaubens, des Polentums und der Autonomie der Kirche gekämpft hat und dafür verfolgt und verhaftet worden ist.
In Pniewy, nahe bei Posen, befindet sich das Mutterhaus der Kongregation der „Ursulinenschwestern vom Herzen des Todesangst leidenden Jesus“, die allgemein „Graue Ursulinen“ genannt werden. Mutter Ursula Ledóchowska ist Gründerin dieses polnischen Zweiges der Ursulinen und auch des Hauses in Pniewy. Die Kongregation hat sich in verschiedenen Teilen Polens, besonders im Osten ausgebreitet, aber auch in verschiedenen Ländern außerhalb Polens und außerhalb Europas. Gleichzeitig übte Mutter Ursula ihr Apostolat auf Wunsch des Heiligen Stuhls in Rom aus. Dort beendete sie ihr Erdenleben am 29. Mai 1939; dort befindet sich auch ihr Grab im Haus des Generalats an der „Via del Casaletto“. Indem wir Mutter Ursula Ledóchowska in die Reihe der Seligen aufnehmen, überlassen wir sie der Kirche Polens und der Kongregation der Ursulinenschwestern zum Lobe Gottes, zur Erbauung der Seelen und zu deren ewigem Heil.