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Zwei wichtige Erklärungen zu „Humanae vitae“
(22.09.1968/29.03.1988)

Bischöfe Österreichs

Theologische Einführung in die beiden
hier dokumentierten bischöflichen Erklärungen

stjosef.at dokumentiert im folgenden zwei wichtige Erklärungen der österreichischen Bischöfe zu Humanae vitae. Diese waren bis jetzt online nicht zugänglich und sind doch Bezugspunkt für viele thematische Auseinandersetzungen im Hinblick auf Glaube und Leben katholischer Christen in Österreich.

Beim ersten Dokument handelt es sich um die sogenannte „Maria-Troster-Erklärung“ der österreichischen Bischöfe, die diese am 22. September 1968 im Anschluß an die Enzyklika Papst Pauls VI. „Humanae vitae“ verabschiedeten. Darin sprechen die Bischöfe dem Papst ihren Dank aus für das hohe Leitbild von Ehe und Familie, wie er es in der Enzyklika zum Ausdruck gebracht hatte. Sie bekunden auch ihre grundsätzliche Übereinstimmung mit dem, was der Papst über verantwortete Elternschaft den katholischen Christen als verbindliche Norm des kirchlichen Lehramtes vorlegt. Dazu gehört der Ausschluß jeder Form von künstlicher Empfängnisverhütung, da die beiden Sinngehalte des ehelichen Aktes – liebende Vereinigung und Offenheit für die Weitergabe des Lebens – nicht willkürlich auseinandergerissen werden dürfen. Allerdings haben die Bischöfe damals eingeräumt, daß es dem einzelnen Gläubigen möglich sein müsse, bei einer vom Lehramt der Kirche abweichenden Gewissensüberzeugung dieser „zunächst“ zu folgen, sofern die Bereitschaft zur weiteren Auseinandersetzung mit der in Frage stehenden Norm gegeben sei. Gerade diese auf dem Hintergrund einer angezielten pastoralen Vermittlung formulierte Annahme der Bischöfe wurde bald Anlaß zu gezielter Opposition gegen die in „Humanae vitae“ bezüglich der Empfängnisverhütung vertretene katholische Lehre.

Von daher ist das zweite hier präsentierte Dokument – die Erklärung der österreichischen Bischofskonferenz vom 29. März 1988 anläßlich des bevorstehenden Papstbesuches im Juni 1988 – als „Fortschreibung“, ja in gewisser Weise sogar als „Korrektur“ der „Maria-Troster-Erklärung“ zu werten. Ausdrücklich bedauern die Bischöfe darin die „Mißverständnisse“, denen die Maria-Troster-Erklärung von 1968 ausgesetzt war, und stellen fest: „Es konnte nicht die Absicht dieser Erklärung sein, den damals beschriebenen Fall einer von ‚Humanae vitae’ abweichenden Überzeugung (vgl. BE II) als eine allgemeine Erlaubnis zur Anwendung aller empfängnisverhütenden Mittel deuten zu lassen.“ Bischof Krenn hat dies noch deutlicher zum Ausdruck gebracht: „Der Versuch, ein irrendes und im Widerspruch zur Lehre der Kirche stehendes Gewissen als rechtes Gewissen dennoch zuzulassen und ihm eine gewisse allgemeine und objektive Gültigkeit zuzugestehen, war die bedauerliche Inkonsequenz der sogenannten ‚Maria-Troster-Erklärung’ der österreichischen Bischöfe vom 22. September 1968.“ Auch auf andere wichtige Fragen gehen die österreichischen Bischöfe in ihrer Erklärung vor dem Papstbesuch 1988 noch ein: Weitergabe des Glaubens in Einheit mit dem Papst als Nachfolger des Apostels Petrus, Feier der Liturgie, Empfang des Bußsakraments. Es sind Themen, die bleibend aktuell sind. Von daher ist pastorale Erneuerung stets anzuzielen und im Vertrauen auf Gottes Hilfe zu erhoffen!

Prof. Dr. theol. habil. Josef Spindelböck


Erklärung der österreichischen Bischöfe zur Enzyklika „Humanae vitae“
vom 22. September 1968 (sog. „Maria-Troster-Erklärung“)

Der Text des Schreibens wurde entnommen: Verordnungsblatt für die Diözese Innsbruck, 43. Jahrgang, Nummer 9, 1. Oktober 1968, 32–34.

Das Erscheinen der Enzyklika „Humanae vitae“ hat ein weltweites Echo gefunden, wie kaum ein anderes Rundschreiben zuvor. Das gilt sowohl hinsichtlich der Zustimmung wie der Kritik.

Daraus erklärt sich die Unruhe, die auch bei uns nicht wenige Katholiken erfaßt hat. Davon zeugen nicht zuletzt zahlreiche uns zugegangene Schreiben, in denen Fragen anklingen und Probleme aufgerissen werden, deren Beantwortung im gegenwärtigen Zeitpunkt sicherlich nicht leicht ist.

So wie andere Bischofskonferenzen, z.B. in Belgien und Deutschland, haben auch die österreichischen Bischöfe in deren Sinn gemeinsam beraten. In diesen Tagen haben sich auch die italienischen Bischöfe mit der gleichen Frage befaßt.

Das Anliegen der Enzyklika und die nicht wenigen Mißverständnisse, denen sie ausgesetzt ist, veranlassen uns, ein ernstes und klärendes Wort zu sagen, von dem wir hoffen, daß es eine Hilfe sein wird.

I. Das Leitbild der Ehe

Der Heilige Vater zeichnet in seinem Lehrschreiben ein hohes Leitbild der Ehe. Darin wird der in der heutigen Zeit so weit verbreitete selbstsüchtige Mißbrauch der menschlichen Geschlechtskraft energisch abgewehrt. Der Papst lehnt ferner mit Recht den Versuch mancher Staaten ab, in den innersten Lebensbereich des Menschen mit Zwangsgesetzen einzugreifen und durch technische Manipulationen Würde und Freiheit des Menschen zu verletzen.

Der Heilige Vater betont im besonderen den Doppelsinn der Ehe, der im personalen Sich-Schenken einerseits und in der Erweckung neuen Lebens andrerseits liegt. Es ist wichtig, beides zu beachten. Dieses personale Sich-Schenken muß in der Sprache der Liebe vor sich gehen. Wer dies nicht der Fall, so liegt bereits hier ein Verstoß gegen die gottgewollte Ordnung der Ehe vor. So manche Frauen sind in ihrer Ehe bitter enttäuscht, weil sie wahrnehmen müssen, daß der Mann sich selbst gesucht hat und nicht den ehelichen Partner. So könnte das personale Sich-Schenken nicht zur gegenseitigen Vollendung führen, was doch die eheliche Begegnung erst ganz sinnvoll macht.

Gemäß dem Schöpfungsauftrag soll in der Ehe aber auch neues Leben geweckt werden. Dazu gehört ebenso das Erziehen. Beides ist eine innere Einheit. In dieser Weise verwirklicht sich der Sinn der Ehe, entfalten die Gatten ihre Persönlichkeit und bringen sie zur Reife. Damit nehmen sie zugleich als Mitwirkende Gottes die Sorge wahr für den Fortbestand der menschlichen Gesellschaft und der Kirche. Diese innere Reife der zwei Menschen, die sich für immer verbunden haben, berechtigt und verpflichtet zu verantwortlicher Elternschaft. Davon hat bereits das Konzil gesprochen. Der Papst hat es neuerdings in seinem Rundschreiben bestätigt. Worin besteht diese verantwortete Elternschaft? Darin, daß die Ehegatten selbst in ihrem vor Gott gebildeten Gewissen die Zahl der Kinder bestimmen können. „Dieses Urteil“, so sagt das Konzil ausdrücklich, „müssen im Angesichte Gottes die Eheleute selber fällen. In ihrem ganzen Verhalten seien sich die christlichen Ehegatten bewußt, daß sie nicht nach eigener Willkür vorgehen können. Sie müssen sich vielmehr leiten lassen von einem Gewissen, das sich auszurichten hat am göttlichen Gesetz, sie müssen hören auf das Lehramt der Kirche, das dieses göttliche Gesetz im Lichte des Evangeliums authentisch auslegt.“ (Kirche und Welt, Nr. 50)

Wir machen ausdrücklich darauf aufmerksam, daß die Gründe, die eine Beschränkung der Kinderzahl nahelegen, sittlicher Natur sein müssen. Falsch und sündhaft wäre es, aus Bequemlichkeit und Opferscheu das Kind zu meiden. Das Gewissen darf nicht durch chemische Mittel ersetzt werden.

Freilich müßte auch die Öffentlichkeit die noch spürbare Benachteiligung von Familien mit Kindern durch einen besseren Lastenausgleich überwinden helfen.

Zusammenfassend wollen wir sagen, daß dieses vom Heiligen Vater ausgesprochene Leitbild der Ehe für alle Gatten ein hohes Ziel darstellt, durch dessen Verwirklichung Glück und Zufriedenheit ersprießen könnten.

Nun erhebt sich aber sofort die weitere Frage, wie kann die Geburtenregelung stattfinden? Die Kirche verwies in der Vergangenheit auf die Enthaltsamkeit. Auch heute muß die Enthaltsamkeit vor der Geburt eines Kindes z.B. und unmittelbar danach und auch sonst noch zu manchen Zeiten geübt werden. Denn ohne Opfer und Verzicht kann keine Ehe auf die Dauer bestehen.

Die Enzyklika nennt ausdrücklich als erlaubtes Mittel auch die Zeitwahl. Nach ihr findet die eheliche Begegnung nur an den unfruchtbaren Tagen statt. Das ist nicht sittenwidrig, weil hier nur eine biologische Anlage genützt wird, die der Schöpfer selbst in die Menschennatur gelegt hat. Freilich werden Einwände dagegen gemacht, daß die Methode unsicher und in der praktischen Verwendung recht beschwerlich und umständlich sei. Darauf kommen wir später zu sprechen.

II. Die Tragweite dieser päpstlichen Botschaft

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach dem verpflichtenden Charakter der Enzyklika. Das Zweite Vatikanische Konzil hat auf die Bedeutung des kirchlichen Lehramtes hingewiesen. Es sagt: „Die Gläubigen müssen mit einem im Namen Christi vorgetragenen Spruch ihres Bischofs in Glaubens- und Sittensachen übereinkommen und ihm mit religiös begründetem Gehorsam anhangen. Dieser religiöse Gehorsam des Willens und des Verstandes ist in besonderer Weise dem authentischen Lehramt des Bischofs von Rom, auch wenn er nicht kraft höchster Lehrautorität spricht, zu leisten; nämlich so, daß sein oberstes Lehramt ehrfürchtig anerkannt und den von ihm vorgetragenen Urteilen aufrichtige Anhänglichkeit gezollt wird.“ (Kirchenkonstitution, Nr. 25) Das kirchliche Lehramt will den Gläubigen auf dem oft so schwierigen Lebensweg eine echte Hilfe sein. Nicht immer wissen wir von uns aus, was wir zu tun und was wir zu lassen haben. Auch unser Gewissen sagt uns von sich aus nicht alles. Es geht also um die rechte Gewissenbildung. Die kirchliche Autorität hilft uns, dazu zu kommen. Ohne diese Hilfe werden sehr oft nicht das Gewissen, sondern in willkürlicher Weise Neigung und Trieb entscheiden.

Das zuständige kirchliche Lehramt erstreckt sich nicht nur auf die übernatürliche Offenbarung, sondern auch auf natürliche Wahrheiten, weil das Licht der Offenbarung auch auf diese fällt, sie bestätigt und verdeutlicht. Der Gott der Offenbarung ist auch der Gott der Schöpfung.

Daraus folgt: Es gibt Gewissensfreiheit – aber nicht Freiheit der Gewissensbildung. Das heißt: die Bildung des Gewissensurteils ist abhängig vom Gesetz Gottes, das bei der konkreten Urteilsbildung nicht übersehen werden darf. Und weil nun Gottes Gesetz auf tausenderlei verschiedene Umstände und Lebensverhältnisse angewendet werden muß, so spricht hier auch die Kirche in ihrem Lehramt ein bestimmendes und klärendes Wort, das der Verwirklichung unseres wahren Menschentums dient.

Diese Hilfe des Gesetzes Gottes und des Lehramtes der Kirche für seine eigene Lebensgestaltung wird nur der erfahren, der sich um immer bessere Erfassung dieser Normen bemüht und sich eine ständige Bildung seines Gewissens angelegen sein läßt.

Da in der Enzyklika kein unfehlbares Glaubensurteil vorliegt, ist der Fall denkbar, daß jemand meint, das lehramtliche Urteil der Kirche nicht annehmen zu können. Auf diese Frage ist zu antworten: Wer auf diesem Gebiet fachkundig ist und durch ernste Prüfung, aber nicht durch affektive Übereilung zu dieser abweichenden Überzeugung gekommen ist, darf ihr zunächst folgen. Er verfehlt sich nicht, wenn er bereit ist, seine Untersuchung fortzusetzen und der Kirche im übrigen Ehrfurcht und Gehorsam entgegenzubringen. Klar bleibt jedoch, daß er in einem solchen Fall nicht berechtigt ist, mit dieser seiner Meinung unter seinen Glaubensbrüdern Verwirrung zu stiften.

III. Praktische Richtlinien

Da es sich bei diesen Fragen nicht nur um naturwissenschaftlich-biologische Probleme handelt, sondern auch um ethisch-religiöse Fragen, so wollen wir im Sinn der Enzyklika noch auf einige praktische Gesichtspunkte zu sprechen kommen.

Um den Einwand gegen die Zeitwahl wieder aufzugreifen, so erwähnt der Heilige Vater selbst, daß zu therapeutischen, das heißt zu Heilungszwecken auch andere Mittel verwendet werden dürften, z.B. bei Unregelmäßigkeit des Monatszyklus. Ebenso kann der Fall eintreten, daß eine Frau in der Zeit nach der Entbindung einer ähnlichen Heilbehandlung bedarf. In beiden Fällen ist der Rat eines gewissenhaften Arztes einzuholen.

Wir bedauern, daß die Berichterstattung weitgehend von der Frage der Pille beherrscht war und daß weder das hohe Eheideal der Enzyklika entsprechend gewürdigt, noch auch die Erlaubtheit therapeutischer Mittel genügend erwähnt wurde.

Nicht zuletzt wollen wir darauf hinweisen, daß der Heilige Vater in seinem Rundschreiben nicht von schwerer Sünde spricht. Wenn sich also jemand gegen die Lehre der Enzyklika verfehlt, muß er sich nicht in jedem Fall von der Liebe Gottes getrennt fühlen und darf dann auch ohne Beichte zur heiligen Kommunion hinzutreten. Der Heilige Vater sagt in diesem Zusammenhang: Die Eheleute mögen in beständigem Gebet die Hilfe Gottes erflehen, vor allem aber mögen die Eheleute „in der Eucharistie aus der Quelle der Gnade und Liebe schöpfen“ (Eheenzyklika, Nr. 25).

Wenn aber jemand grundsätzlich aus egoistischer Einstellung die Nachkommenschaft in der Ehe ausschließt, kann er sich nicht von schwerer Schuld frei wissen. Ebenso versteht es sich von selbst, daß jede Art direkter Schwangerschaftsunterbrechung ausnahmslos unter schwerer Sünde verboten ist.

Darüber hinaus bleiben noch manche Fragen offen, zu deren Beantwortung wir mit dem Heiligen Vater die Theologen, die Männer der Wissenschaft, also Biologen und Ärzte, nicht zuletzt die Eheleute selbst, ersuchen, sich mit uns um die Klärung zu bemühen. In gleicher Weise bitten wir die Mitbrüder im Priestertum, sich dieser Frage anzunehmen; die Bischöfe beabsichtigen dazu eine pastorale Anweisung zu erlassen. Abschließend danken wir dem Heiligen Vater, daß er im Geiste des Konzils dieses christliche Eheideal so leuchtend uns vor Augen gestellt hat. Ebenso danken die Bischöfe aufrichtig allen christlichen Eheleuten für den Dienst an der Kirche, den sie durch tägliches Annehmen ihrer Ehepartner und durch verantwortungsbewußte Bejahung des Kindes leisten. Mögen sie mit Gottes Hilfe ihre erhabene Aufgabe immer vollkommener erfüllen. Wir empfehlen allen Katholiken, den Text des Rundschreibens aufmerksam zu lesen.

Ist es nicht auffallend, daß so viele Nichtkatholiken das Anliegen des Rundschreibens positiv würdigen? Eindrucksvoll sind die Worte des Präsidenten der Schweizer Ärztevereinigung, der selbst nicht katholisch ist: „Ich halte die Enzyklika Humanae vitae für unsere Zeit mit ihrer fragwürdigen Betonung auf dem Gebiet der Sexualität und der einseitigen Beurteilung als rein biologisches Problem für wertvoll, nicht nur im Rahmen der römisch-katholischen Kirche. Über den Kreis dieser Kirche hinaus jedoch steht die Enzyklika da als ein Mahnfinger über den Menschen aller Konfessionen, nicht ohne Ehrfurcht an jene Fragen heranzutreten, die über das rein animalisch-biologische hinausgehen und daß wir als Ärzte uns auch in dieser Frage bemühen müssen, den Menschen in seiner Doppelnatur als leib-seelische Existenz zu betreuen.“ (Schweizerische Ärztezeitung, Bern, 49. Jahrgang, Nr. 35).

Erklärung der österreichischen Bischofskonferenz
vom 29. März 1988 anläßlich des bevorstehenden Papstbesuches im Juni 1988

1. Die Bischöfe Österreichs erwarten in Freude gemeinsam mit den Gläubigen den Besuch von Papst Johannes Paul II. im Juni 1988. Von diesem Besuch erhoffen sie eine Bestärkung des Glaubens und der kirchlichen Gemeinschaft in Österreich und darüber hinaus.

Im vergangenen Jahr haben die Bischöfe in Rom die Gräber der Apostel besucht und dem Heiligen Vater über die Situation des Glaubens in Österreich berichtet. Der Papst hat in seiner Ansprache an die Bischöfe Ermutigung gegeben, aber auch Sorge zum Ausdruck gebracht. So hat er der Kirche in Österreich den Maßstab der Gesamtkirche und des obersten Lehramtes vermittelt.

In Erwartung der bevorstehenden Begegnung mit dem Heiligen Vater erinnern die Bischöfe an einige Bereiche des kirchlichen Lebens, auf deren Bedeutung der Papst angesichts der Situation in Österreich und in anderen Ländern besonders verwiesen hat. In diesen Bereichen wird es eines starken Einsatzes bedürfen.

2. Der Heilige Vater hat darauf verwiesen, daß die Förderung und Formung der christlichen Familien Grundlage aller weiteren pastoralen Arbeit ist und bleibt (vgl. L’Osservatore Romano 19./20. Juni 1987, S. 7, Nr. 5).

Die Enzyklika „Humanae vitae“ vom 25. Juli 1968 und das Apostolische Schreiben „Familiaris consortio“ vom 22. November 1981 stellen deutlich dar, daß die eigenmächtige Auflösung der Verknüpfung von liebender Vereinigung und von Offenheit für neues Leben im ehelichen Akt gegen die Ordnung des Schöpfers und gegen die Würde des Menschen gerichtet ist.

Die Bischöfe Österreichs haben die Enzyklika in einer eigenen Erklärung begrüßt (22. September 1968) und das dort gezeichnete „hohe Leitbild der Ehe“ dankbar gewürdigt. Die Bischöfe Österreichs stehen selbstverständlich auch heute, beseelt von der Treue zum Petrusamt, zu dieser Lehre des Papstes.

Einige Stellen in dieser Erklärung wurden freilich mißdeutet, was zu einer bedenklichen Entwicklung in der Praxis geführt hat. Es konnte nicht die Absicht dieser Erklärung sein, den damals beschriebenen Fall einer von „Humanae vitae“ abweichenden Überzeugung (vgl. BE II) als eine allgemeine Erlaubnis zur Anwendung aller empfängnisverhütenden Mittel deuten zu lassen.

Das II. Vatikanische Konzil nennt das Gewissen des Menschen „die verborgenste Mitte und das Heiligtum im Menschen“ (GS 16). Entgegen der Meinung, die Kirche hätte sich von der Verpflichtung zur Bildung des Gewissens zurückgezogen und hätte die Entscheidung in der sittlichen Beurteilung der ehelichen Akte allein den Ehegatten überlassen, ist auf die Erklärung der Bischöfe Österreichs von 1968 hinzuweisen, die sagt: „Auch unser Gewissen sagt uns von sich aus nicht alles. Es geht also um die rechte Gewissenbildung. Die kirchliche Autorität hilft uns, dazu zu kommen. Das zuständige kirchliche Lehramt erstreckt sich nicht nur auf die übernatürliche Offenbarung, sondern auch auf natürliche Wahrheiten, weil das Licht der Offenbarung auch auf diese fällt, sie bestätigt und verdeutlicht. Der Gott der Offenbarung ist auch der Gott der Schöpfung. Daraus folgt: Es gibt Gewissensfreiheit – aber nicht Freiheit der Gewissensbildung. Das heißt: die Bildung des Gewissensurteils ist abhängig vom Gesetz Gottes, das bei der konkreten Urteilsbildung nicht übersehen werden darf. Und weil nun Gottes Gesetz auf tausenderlei verschiedene Umstände und Lebensverhältnisse angewendet werden muß, so spricht hier auch die Kirche in ihrem Lehramt ein bestimmendes und klärendes Wort, das der Verwirklichung unseres wahren Menschentums dient. Diese Hilfe des Gesetzes Gottes und des Lehramtes der Kirche für seine eigene Lebensgestaltung wird nur der erfahren, der sich um immer bessere Erfassung dieser Normen bemüht und sich eine ständige Bildung seines Gewissens angelegen sein läßt“ (BE II).

Darüber hinaus erinnern die Bischöfe heute im besonderen an zwei Aussagen des II. Vatikanischen Konzils: „Ehe und eheliche Liebe sind ihrem Wesen nach auf die Zeugung und Erziehung von Nachkommenschaft ausgerichtet. Kinder sind gewiß die vorzüglichste Gabe für die Ehe und tragen zum Wohl der Eltern selbst sehr viel bei.“ „Die Ehe ist aber nicht nur zur Zeugung von Kindern eingesetzt, sondern die Eigenart des unauflöslichen personalen Bundes und das Wohl der Kinder fordern, daß auch die gegenseitige Liebe der Ehegatten ihren gebührenden Platz behalte, wachse und reife“ (GS 50).

Und schließlich sagt Johannes Paul II. in seinem Apostolischen Schreiben „Familiaris consortio“: „Auch auf dem Gebiet der Ehemoral handelt die Kirche als Lehrerin und Mutter ... es ist die eine Kirche, die zugleich Lehrerin und Mutter ist. Deswegen hört die Kirche niemals auf, aufzurufen und zu ermutigen, die eventuellen ehelichen Schwierigkeiten zu lösen, ohne je die Wahrheit zu verfälschen oder zu beeinträchtigen. Sie ist nämlich davon überzeugt, daß es zwischen dem göttlichen Gesetz, das Leben weiterzugeben, und jenem, die echte eheliche Liebe zu fördern, keinen wirklichen Widerspruch geben kann. Darum muß die konkrete pastorale Führung der Kirche stets mit der Lehre verbunden sein und darf niemals von ihr getrennt werden. Ich wiederhole deshalb mit derselben Überzeugung die Worte meines Vorgängers: ‚In keinem Punkt Abstriche an der Heilslehre Christi zu machen, ist hohe Form seelsorglicher Liebe’“ (FC, Nr. 33).

3. Der Papst hat auch betont, daß das Nein der Kirche zum Sakramentenempfang der wiederverheirateten Geschiedenen nicht ein Ausdruck von Unbarmherzigkeit ist, sondern Verteidigung der Treue und Liebe durch die Unauflöslichkeit der Ehe. Diese Christen sind aus der Kirche keineswegs ausgeschlossen, ihnen muß viel Sorge und Liebe zugewendet werden. Ihnen steht, wie Kardinal Ratzinger betont hat, „der weite Raum der Kommunion mit Gottes Wort offen, die Teilnahme am Gebetsleben der Kirche, an der Feier des Meßopfers (die auch ohne sakramentale Kommunion wirkliche Beteiligung am eucharistischen Geheimnis ist), die Beteiligung am caritativen Wirken der Kirche und an ihrem Ringen um mehr Gerechtigkeit in der Welt; der Ruf, als Träger des Evangeliums für ihre Kinder zu wirken, gibt ihnen einen wichtigen Auftrag; sie können und sollen an Gesinnung und Tat der Buße teilnehmen, die zu den Grundweisen christlicher und kirchlicher Existenz gehört“ (Brief an die Priester, Diakone und an alle im pastoralen Dienst Stehenden II,3).

4. Der Papst mahnt die Bischöfe zur Sorge und Wachsamkeit, daß „der heranwachsenden Generation der unverfälschte Glaube der Kirche vermittelt wird“ (L’Osservatore Romano, 19./20. Juni 1987, S. 7, Nr. 6).

Er meint hier den unschätzbaren Dienst der Eltern, die ihren Kindern den Glauben vermitteln. Mit besonderem Ernst spricht der Heilige Vater vom Religionsunterricht in der Schule und der Ausbildung der Priester und Laientheologen an den Theologischen Fakultäten und Hochschulen. In Österreich sind wir in der glücklichen Lage, daß der Religionsunterricht vom Staat gefördert wird und fast alle Kinder und Jugendlichen erreicht. Es liegt in unserer Verantwortung, daß die von uns gesendeten und beauftragten Lehrerinnen und Lehrer den unverkürzten Glauben der Kirche vermitteln.

Kein junger Mensch kann und soll zum Glauben gezwungen werden. Der Religionsunterricht wird umso überzeugender sein, je mehr der Lehrer mit seiner ganzen Persönlichkeit von der Fülle des Glaubens erfaßt ist und diesen im Gebet und Lebenszeugnis praktiziert.

Die Freiheit der theologischen Forschung und Lehre wird vom Papst nicht in Frage gestellt. Es steht aber den Lehrern, denen die Ausbildung der Priester- und Theologiestudenten anvertraut ist, nicht frei, ihren vom Grundstrom der kirchlichen Lehre abweichenden subjektiven Überzeugungen jenes Gewicht zu geben, das den kontinuierlichen Aussagen des kirchlichen Lehramtes durch Päpste und Konzilien zukommt (L’Osservatore Romano, 19./20. Juni 1987, S. 7, Nr. 6).

5. Die Bischöfe stellen sich ganz hinter die Worte des Papstes zur Bedeutung der Heiligsten Eucharistie als Mitte der Kirche. Die Bischöfe danken allen Priestern und Laien, die mit Hingabe und Liebe sich für eine lebendige und ansprechende Gestaltung der Liturgie einsetzen. Da aber die Heiligste Eucharistie Zeichen und Frucht der Einheit der Kirche ist, darf sie nicht der Willkür und Beliebigkeit der Feiernden überlassen werden. Ihre Größe erhält sie nie durch möglichst interessante Gestaltung, sondern durch das, was sie ist: Verkündigung des Wortes Gottes, Gebet der Kirche, Opfer Christi und Mahlgemeinschaft mit Christus.

Die Bischöfe danken dem Papst für sein offenes Wort zum Bußsakrament, das in Österreich wie in anderen Ländern in einer Krise war und ist. Die persönliche Begegnung des einzelnen Gläubigen mit dem richtenden und richtend-verzeihenden Herrn schenkt uns Vergebung der Schuld, stellt die verletzte Gemeinschaft wieder her und ist der unersetzliche Ort der Formung und Reinigung des Gewissens (L’Osservatore Romano, 19./20. Juni 1987, S. 7, Nr. 6).

6. Zusammenfassend möchten die Bischöfe den Gläubigen sagen: Unsere Treue zum Petrusamt ist zugleich Treue zum ganzen Volk Gottes in unseren Diözesen. Wir wissen, in welchen Bedrängnissen und Schwierigkeiten unsere Gläubigen leben. Wir wissen auch um die Hochherzigkeit und Tapferkeit so vieler inmitten einer Welt, in der nicht nur Ehe und Familie, sondern das Leben überhaupt bedroht ist.

Wir bekennen uns zur Option für das Leben. Viele Probleme bedrängen die Welt. Sie werden nicht gelöst durch eine Verneinung des Lebens und eine Vervielfachung des Todes. Vielmehr brauchen wir eine neue Kultur der Liebe in Treue, Verantwortung und Beachtung der natürlichen Ordnung der Schöpfung.

Auf dem Weg zur Fülle des Lebens, weil zur Fülle des Glaubens, möchten die Bischöfe Österreichs gemeinsam mit dem Heiligen Vater den Gläubigen vorangehen. Wir gehen dadurch Christus entgegen und bitten Euch: Geht mit uns!

29. März 1988 Die Erzbischöfe und Bischöfe Österreichs