Eigentum
Karl Hörmann: LChM 1976, Sp. 323-344
Zu den Werten, die der Mensch braucht, die aber nur eine untergeordnete Rolle in seinem Leben spielen dürfen, soll er nicht zu einer verzerrten Persönlichkeit werden, die einer falschen Selbstliebe huldigt, gehören die Sachwerte.
I. Aus der Notwendigkeit dieser Werte für den Menschen ergibt sich sein Recht auf Eigentum
1. Als Eigentum wird entweder das Recht der ausschließl. und freien Verfügung über eine materielle Sache (Eigentumsrecht, ius proprietatis, dominium) oder auch die Sache selbst, über die jemand rechtmäßig nach Belieben verfügen kann, bezeichnet. Jedenfalls ist für das Eigentum das Element des Rechtes wesentl. Eben dadurch unterscheidet sich der Begriff des Eigentums von dem des Besitzes, der nur das tatsächl. Innehaben einer Sache in der Absicht, sie als die seine zu haben, nichts jedoch über die Recht- oder Unrechtmäßigkeit dieses Innehabens aussagt (der Dieb kann eine gestohlene Sache besitzen; sie ist nicht sein Eigentum).
Das Eigentum ist also rechtl. seinem Eigentümer zugeordnet (res clamat ad dominum). Alles, was in der Sache enthalten ist und sich aus ihr ergibt, gehört dem Eigentümer (res fructificat domino); ein anderer darf sich daher nicht an ihr bereichern (ex re aliena non licet ditescere). Wenn das Eigentum ohne fremde Schuld zugrundegeht, trifft der Schaden den Eigentümer (res perit domino).
2. Unter den dem Menschen nützl. materiellen Sachen (Gütern) unterscheidet man Gebrauchs- und Produktionsgüter.
a) Gebrauchsgüter dienen der unmittelbaren Bedarfsbefriedigung und hören entweder durch den Gebrauch überhaupt zu bestehen auf (Verbrauchs- oder Konsumgüter, z.B. Nahrungsmittel) oder verlieren doch durch die Nutzung, die kürzer (Kleider) oder länger (Eigenheim) dauern kann, an Wert.
b) Produktionsgüter dienen nicht der unmittelbaren Bedarfsbefriedigung, sondern der Hervorbringung anderer Güter (Grund und Boden, Werkstätten und Fabriken mit ihren Einrichtungen).
3. Das Eigentumsrecht ist das Recht der menschl. Person, über eine Sache zu verfügen.
a) Das volle Eigentumsrecht (dominium perfectum) umfaßt das Recht, über die Substanz der Sache zu verfügen, und das Recht, sie zu nutzen.
b) Das unvollkommene Eigentumsrecht (d. imperfectum) beschränkt sich auf eines von beiden, näml. entweder auf die Substanz (direktes unvollk. Eigentumsrecht) oder auf die Nutzung (indirektes unvollk. Eigentumsrecht, dominium utile; vgl. D 3267 3727); bei letzterer kann im einen Fall die Abnützung durch einen Ertrag an materiellen Gütern aufgewogen werden (Fruchtziehen, usus-fructus), im anderen Fall nicht (usus, z.B. der Benützung einer Wohnung).
c) Das volle und das unvollk. Eigentumsrecht können von verschiedenen Seiten her eingeschränkt sein, z.B. durch den Staat, der für die Nutzung bestimmte Vorschriften erläßt (z.B. Bauvorschriften); durch das Recht anderer auf Leistungen (Servitut); durch das Mitbestimmungsrecht anderer. Durch solche Einschränkungen können geradezu neue Typen (unvollkommenen) Eigentumsrechtes entstehen.
4. Bes. zu beachten ist das Recht, das der Staat beansprucht, über das Eigentum seiner Bürger zu verfügen (Ober-Eigentum, Oherhoheit, dominium altum). Es kann sich in sehr spürbaren Eingriffen des Staates in die Eigentumsverwendung (z.B. in unmittelbaren Produktionsauflagen, in einem Dirigismus in Kriegs- od Friedenszeiten) auswirken. Darüber hinaus fordern Staaten Eigentumssubstanz, wenn sie Steuern vorschreiben, zur Abtretung bestimmter Objekte für öffentl. Zwecke (z.B. zum Bau von Straßen) nötigen oder gar dem einzelnen das Eigentumsrecht (an Produktionsgütern) grundsätzl. entziehen und ihm höchstens das Nutzungsrecht belassen.
Dieses Ober-Eigentumsrecht sucht man mit der sozialen Funktion des Eigentums und mit der Gemeinwohlaufgabe des Staates zu begründen.
Das Recht des Eigentümers, über dem ein Obereigentümer steht, nennt man Unter-Eigentum (dominium humile).
Das gewöhnl. Eigentumsrecht zumindest an Produktionsgütern ist immer nur Unter-Eigentum mit verschieden weitgehenden Einschränkungen.
Im Verhältnis des Ober- und Unter-Eigentums können auch Genossenschaften und deren Mitglieder zueinander stehen.
5. Nach den Eigentümern unterscheidet man Sonder-Eigentum und Gemein-Eigentum
a) Das Sonder-Eigentum (Privat-Eigentum) kommt einer einzelnen physischen Person oder einer kleinen Zahl miteinander verbundener physischer Personen (z.B. einer Familie) zu.
b) Das Gemein-Eigentum gehört einer moralischen (juristischen) Person (Gesellschaft, öffentl.-rechtl. Institution, Gebietskörperschaft).
Nirgends gibt es eine ausschließl. Privat-Eigentumsordnung. Verwirklicht sind verschiedene Mischungen oder die totale Gemein-Eigentumsordnung (hinsichtl. der Produktionsmittel).
II. Ziel jeder Eigentumsordnung muß jener Gebrauch der materiellen Güter sein, der dem Menschen am meisten nützt. Daraufhin sind die Ordnungen des Gemein-Eigentums und des Privat-Eigentums zu prüfen.
1. Außer Streit stehen gewisse Formen des Gemein-Eigentums. Wenn Gesellschaften, öffentl.-rechtl. Einrichtungen und Gebietskörperschaften rechtmäßig existieren, muß man ihnen auch die materiellen Mittel zugestehen, die sie für ihren Bestand und ihre Tätigkeit brauchen. Berechtigt kann es auch sein, bestimmte Objekte dem Gemein-Eigentum vorzubehalten, damit sie von allen Menschen eines Gebietes oder einer Gemeinschaft benützt werden können (z.B. Erholungsstätten).
Wenig wird auch dagegen einzuwenden sein, daß mehrere Menschen sich frei zu einer Eigentumsgemeinschaft zusammenschließen (in den kath. Orden z.B. verzichtet eine kleine Zahl von Menschen aus höheren Beweggründen auf Privat-Eigentum). Anders sieht die Frage aus, wenn Menschen zu solchen Gemeinschaften genötigt werden oder wenn das Eigentumsrecht (vor allem an Produktionsgütern) so den Gebietskörperschaften (dem Staat und seinen Gliederungen) vorbehalten wird, daß Private kein Eigentum (an Produktionsgütern) erwerben können. Wem es nicht um ein System an sich zu tun ist, sondern um den Menschen, der muß überlegen, womit diesem am besten gedient ist. Da die materiellen Güter knapp sind, müssen zur Bedarfsbefriedigung einer wachsenden Zahl von Menschen (der einzelnen und ihrer Familien; vgl. Pius XII., UG 516 6093 6192; 2. Vat. Konz., GS 69) Gebrauchsgüter mit Hilfe von Produktionsmitteln hervorgebracht werden. Die Frage geht dahin, in welcher Eigentumsordnung dies am besten geschehen kann.
2. Für die verpflichtende Gemein-Eigentumsordnung läßt sich eine Reihe von Gründen anführen.
a) In ihr werden alle Menschen gleich gewertet: Jeder hat das gleiche Recht an den gemeinsamen Gütern und den gleichen Anspruch auf Beteiligung am Güterertrag.
b) Von dieser Ordnung ist ein ausgeglichenes Verhältnis zw. Arbeitsleistung und Entgelt zu erwarten.
c) Sie kommt dem menschl. Verlangen nach wirtschaftl. Sicherheit entgegen.
d) Das Gemeinwohl und in ihm das Einzelwohl scheinen durch das Gemein-Eigentum vor dem Egoismus des einzelnen wirksamer gesichert werden zu können.
3. In realistischer Sicht läßt sich dagegen aber etliches einwenden und zugunsten einer Ordnung, in der Privatpersonen Eigentum auch an Produktionsmitteln erwerben können (in diesem Sinn Privat-Eigentumsordnung), sagen.
a) Der Einzelperson scheint mit einer solchen Ordnung besser gedient zu sein (vgl. Pius XII., UG 6349 6352; GS 71).
Ò) Wenn der einzelne die Möglichkeit hat, über eigene Güter zu verfügen, trägt dies zu seiner schöpferischen Lebensentfaltung beträchtl. bei (vgl. Johannes XXIII., PT 20).
ß) Durch das Privat-Eigentum wird die Freiheit des einzelnen vor dem Staat geschützt (vgl. Pius XII., UG 243 627 f 735 2832; Johannes XXIII., MM, AAS 1961,427 f; GS 71). Häufig nimmt man dem Menschen das Eigentum, um ihn seiner Freiheit zu berauben (vgl. MM, AAS 1961,427 f).
þ) Zumindest manche Familien bilden auf der Grundlage des Privat-Eigentums Wirtschaftsgemeinschaften und erlangen so größere Festigkeit (vgl. MM, AAS 1961,428; PT 21).
Ú) Privat-Eigentum gibt die Möglichkeit, aus eigenem Antrieb fremder Not (die wohl nie ganz verschwinden wird) beizustehen (Barmherzigkeit).
b) Auch der Gesellschaft kann das Privat-Eigentum gute Dienste erweisen.
Ò) Die Möglichkeit, Eigentum zu erwerben, führt den einzelnen zu Leistungssteigerung, besserer Ausnützung der knappen Produktionsmittel und damit Erhöhung des Sozialproduktes, die wieder der Gesellschaft (bis hin zur „Dritten Welt“ in der Völkergemeinschaft) zugute kommt; vom Wegfall dieses Ansporns ist Leistungssenkung zu befürchten (vgl. Thomas von Aq., S.Th. 2,2 q.66 a.2; Pius XII., UG 735), wie sozialistische Experimente in verschiedenen Ländern zeigen.
ß) Wenn jeder für seine Sache zu sorgen hat, ist damit von selbst eine natürl. Ordnung in die wirtschaftl. Bemühungen gebracht (vgl. Thomas von Aq. a.a.O.).
þ) In gewissem Ausmaß dient die klare Abgrenzung von Mein und Dein dem Frieden der Gesellschaft (Thomas von A, a.a.O).
Ú) Durch den Tauschverkehr, den das Privat-Eigentum herbeiführt, schafft es innerhalb der Gesellschaft immer wieder Verbindungen (vgl. Thomas von Aq., S.Th. 1,2 q.105 a.2).
4. Natürl. kann es in der Privat-Eigentumsordnung zu egoistischen Auswüchsen (rücksichtsloses Gewinnstreben; Ausnützung der Macht, die das Eigentum gibt) kommen, denen entgegengetreten werden muß (soziale Beschränkungen). lm ganzen aber hat sich diese Ordnung geschichtl. besser bewährt als die erzwungene Gemein-Eigentumsordnung für breite Massen.
Dieser Einsicht konnte sich selbst der Sozialismus nicht verschließen. Leo XIII. mußte 1891 das Recht auf Privat-Eigentum gegen den Sozialismus schlechthin verteidigen (Enz. „Rerum novarum“). Pius XI. konnte 1931 („Quadragesimo anno“) schon zwei Hauptrichtungen des Sozialismus unterscheiden, den Kommunismus, der am schärfsten Klassenkampf und der äußersten Eigentumsfeindlichkeit festhielt, und den gemäßigten Sozialismus, der beide weitgehend gemildert hatte. Johannes XXIII. verweist auf die Bedeutung des Privat-Eigentums für die Sicherung der Freiheit des Einzelmenschen und fährt fort: „Hierin liegt die Erklärung für die Tatsache, daß jene gesellschaftl. und politischen Verbände und Organisationen, die einen Ausgleich zw. Freiheit und Gerechtigkeit im gesellschaftl. Zusammenleben suchen und bis vor kurzem das Eigentum an Produktionsmitteln ablehnten, heute, durch die Sozialentwicklung belehrt, ihre Meinung merkl. geändert haben und dieses Recht durchaus anerkennen“ (MM, AAS 1961,427 f).
Man kann daher die Privat-Eigentumsordnung als naturrechtl. Forderung bezeichnen, zwar nicht in dem Sinn, daß nicht für die Erhaltung und Entfaltung des Menschen auch auf andere Art irgendwie gesorgt werden könnte, wohl aber in dem Sinn, daß die Privat-Eigentumsordnung den jetzigen Gegebenheiten des Menschengeschlechtes am meisten entspricht. Aus der Begründung des Rechtes auf Privat-Eigentum durch die berechtigten lnteressen der menschl. Person läßt sich erkennen, daß dieses Recht unabhängig vom Staat und vor ihm da ist. „Es ist in der Natur der Dinge selbst grundgelegt, die uns belehrt, daß der einzelne Mensch früher ist als die bürgerl. Gesellschaft, und daß diese zielhaft auf den Menschen hingeordnet sein muß“ (Johannes XXIII., MM, AAS 1961,427). Der Mensch ist durch seine Vernunftnatur befähigt, die Produktionsmittel, vor allem den Erdboden, zur Sicherung des Lebensunterhaltes planend heranzuziehen. Er hat es getan, bevor es einen Staat gab. Auch jetzt ist es nicht nötig, daß der Staat zum einzigen Unternehmer würde, sämtl. Produktionsmittel an sich zöge, die Menschen in seinem Dienst arbeiten ließe und ihnen ihren Unterhalt zuwiese.
Das natürl. Recht auf Privat-Eigentum wird in der von den Vereinten Nationen am 10.12.1948 abgegebenen Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte anerkannt (Art. 17; vgl. Konvention des Europarates zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, 20.3.1952, Zusatzprot. Art. 1).
Die kommunistische These, der Privateigentümer beute zwangsläufig andere aus, die Ausbeutung könne aber erst unter sozialistischen Eigentums- und Produktionsverhältnissen, wie sie durch den Gesellschafts- und Materieprozeß herbeigeführt werden, abgeschafft werden, ergibt sich aus der Logik der marxistischen (Geschichts-)Philosophie und Anthropologie, aber nicht aus der realitätsbezogenen Schau von Mensch, Wirtschaft und Gesellschaft. Faktisch erweist sich auch gerade die sozialistische Gesellschaftsordnung als System neuer Klassen, neuer Ausbeutung, neuer Unfreiheiten.
5. Die Quellen der Offenbarung befassen sich nur selten konkret mit Eigentumsfragen. Sie geben die großen Richtlinien des sittl. Lebens an und überlassen die Konkretisierung der Einsicht des Menschen gemäß den Gegehenheiten, in denen er jeweils lebt.
a) Das AT setzt das Eigentumsrecht als selbstverständl. voraus und schützt es: „Du sollst nicht stehlen!“ (Ez 20,15; Dtn 5,19). „Du sollst nicht Verlangen tragen nach deines Nächsten Haus, Acker, Knecht, Magd, Ochs, Esel oder sonst nach irgendetwas, was deinem Nächsten gehört“ (Dtn 5,21; vgl. Ez 20,17).
b) Über Jesus sagt R. Schnackenburg, er „hat nirgends das Eigentumsrecht angefochten, aber auch niemals ausdrückl. begründet“. Eigentumsfragen will er nicht unmittelbar regeln; dem, der von ihm verlangt: „Meister, sage meinem Bruder, er soll das Erbe mit mir teilen“, entgegnet er: „Mensch, wer hat mich zum Richter oder Erbteiler unter euch bestellt?“ (Lk 12,13 f). Jesus verspricht nicht, unmittelbar eine restlos befriedigende Verteilung von Vermögen und Einkommen herbeizuführen („Arme habt ihr allezeit bei euch“, Mk 14,7). Selbstverständl. will er die Befolgung seiner sittl. Forderungen, letztl. der Gebote der Liebe zu Gott und der Nächstenliebe, auch auf dem Gebiet des Eigentums; darin ist auch der Anstoß zur Veränderung unbefriedigender Eigentumsverhältnisse enthalten.
c) Anscheinend kann man sich gegen die Berechtigung des Privat-Eigentums unter Christen auf die urchristl. Gütergemeinschaft berufen: „Alle gläubig Gewordenen aber hatten alles miteinander gemeinsam. Sie verkauften ihren Besitz, ihre Habe und verteilten sie an alle, je nachdem einer bedürftig war“ (Apg 2,44 f; vgl. 4,32.34). Es handelte sich aber um ein Liebeswerk zugunsten der Armen (Apg 4,34), einen tägl. Liebesdienst an den Armen (Apg 6,1), der nicht einer grundsätzl. Ablehnung des Privat-Eigentums entsprang, sondern der Absicht, den Armen zu helfen. Die Vermögensabgabe wurde nicht allen zur Pflicht gemacht, sondern war freie Leistung, die an Barnabas eigens gerühmt wurde (Apg 4,36 f) und von Petrus Ananias gegenüber ausdrückl. als solche gekennzeichnet wurde: „Blieb es nicht dein eigen, wenn du es behalten wolltest? Und wenn du es verkauftest, konntest du nicht über den Erlös verfügen?“ (Apg 5,4) Diese urchristl. Gütergemeinschaft war auf die Hilfe für die Armen ausgerichtet, nicht aber auf das Wirtschaften. So brachte sie die Gemeinde von Jerusalem in eine Armut, die sie auf die Unterstützung durch die heidenchristl. Ge meinden angewiesen sein ließ (vgl. Gal 2,10). Zum Unterschied vom „urchristl. Kommunismus“ ist eine heutige Gemein-Eigentumsordnung nicht auf Verzehr, sondern auf Produktion aus der Vermögenssubstanz eingestellt und sind ihr alle zwangsweise unterworfen.
d) Die Kirchenväter sind der Meinung, am Anfang stehe das Gemein-Eigentum; von dem, was gemeinsam gewesen sei, hätten einzelne etwas an sich gezogen und so das Privat-Eigentum geschaffen („Natura igitur ius commune generavit, usurpatio ius fecit privatum“, Ambrosius, De off. I 28, PL 16,67). Die Väter wollen dem Menschen ein Recht nicht auf unbegrenztes Eigentum, sondern nur auf das zum Unterhalt oder zur standesgemäßen Lebensführung Notwendige zuerkennen. Sie bezeichnen aber für den jetzigen Zustand des Menschen das Sonder-Eigentum nicht als etwas an sich Schlechtes; für Gut und Schlecht komme es vielmehr auf den Gebrauch an, den der Mensch davon mache. Augustinus zählt jene, die die Gütergemeinschaft allen zur Pflicht machen wollen, zu den Häretikern (De haeresibus 40, PL 42,32).
e) Die kirchl. Lehre folgt der Überzeugung, daß im gegenwärtigen Zustand des Menschengeschlechtes der Sicherung eines vollmenschl. Daseins eine Ordnung, in der einzelne Eigentum auch an Produktionsmitteln erwerben können, besser diene als eine Ordnung, in der dies nicht mögl. ist. Die Kirche hat desh. die radikale sozialistische (kommunistische) Bekämpfung allen Privat-Eigentums an Produktionsmitteln abgelehnt (Leo XIII., D 3265 f 3271; Pius XI., D 3726 3771; Pius XII., UG 732 4356; Johannes XXIII., MM, AAS 1961,427; PT 21; GS 71). Wenn kirchl. Dokumente gelegentl. von der Unantastbarkeit und Heiligkeit des Privat-Eigentums reden, wollen sie nicht jede bestehende Eigentumsordnung heiligsprechen, sondern nur vor der allg. Abschaffung des Privat-Eigentums warnen; sie verschließen sich nicht der Erkenntnis, daß das Gemeinwohl häufig nach Abänderung gegebener Eigentumsverhältnisse verlangt (Pius XI., D 3728; Pius XII., UG 709 734 736 754 2422 4399 5644; Johannes XXIII., MM, AAS 1961,428; GS 71).
“Das Gemeinwohl verlangt manchmal eine Enteignung, wenn ein Besitz wegen seiner Größe, seiner geringen oder überhaupt nicht erfolgten Nutzung, wegen des Elends, das die Bevölkerung durch ihn erfährt, wegen eines beträchtl. Schadens, den die Interessen des Landes erleiden, dem Gemeinwohl hemmend im Weg steht“ (Paul VI., PP 24).
III. Rechtmäßig (im Einklang mit den sittl. Forderungen) kann man Eigentum auf verschiedene Art erwerben. Zweierlei Titel (Ursachen) für die Entstehung konkreten Eigentumsrechtes werden unterschieden: ursprüngliche (tituli originarii), durch die der Mensch das Eigentumsrecht unabhängig von einem anderen Eigentümer erwirbt, und abgeleitete (t. derivati), durch die das Eigentumsrecht von Vorgängern auf Nachfolger übergeht.
Ursprüngl. Rechtstitel sind erste Besitzergreifung und Zuwachs (vor allem Arbeit), abgeleitete Vertrag und Verjährung (Ersitzung).
IV. Bezügl. der Sachwerte ist der Mensch in beträchtl. Gefahr, einer verzerrten Wertordnung zu verfallen und damit den Sinn seines Lebens zu verfehlen. Das Eigentum bedarf der sittl. Ordnung: Die Sachwerte müssen dem eigentl. menschl. Wert unterstellt werden. Wollte man die Wirtschaft aus der sittl. Ordnung herausnehmen, würde man in eine verhängnisvolle Dämonie des Wirtschaftlichen geraten.
1. Zur sittl. Aufgabe des Menschen gehört es, den materiellen Gütern den richtigen Rang zuzuweisen (vgl. Pius XII., UG 6084 6191 6385; Johanne XXIII., MM, AAS 1961,451–453.457–459).
a) Gewiß bedarf er ihrer zur Erhaltung und Entfaltung seines Lebens und hat er daher die Pflicht und das Recht, sie zu erwerben und zu gebrauchen. Er würde in der rechten Selbstliebe versagen, wenn er nicht darauf bedacht wäre, sie sich in hinreichendem Ausmaß zu verschaffen und zu verwenden (Arbeit).
Aber nicht jedes Erwerben und Verwenden materieller Güter ist für den Menschen zulässig. Bei der ihm aufgetragenen Verwirklichung seiner Persönlich keit spielen materielle Werte eine Rolle; sie stehen aber auf der untersten Stufe der Werte und haben dem Leben in seiner leibl. und geistigen Dimension zu dienen. Der Mensch verhält sich auf dem Gebiet der Sachwerte richtig, wenn sein Verhalten dieser Wertordnung entspricht. In kluger Umsicht muß er daher sein wirtschaftl. Handeln nicht nur auf die nächsten wirtschaftl. Ziele, sondern auch auf die höheren Ziele seines Menschseins ausrichten. So handelt er weise, erwirbt er bleibende Werte. „Sammelt euch Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Rost zerstören und wo Diebe nicht einbrechen und stehlen“ (Mt 6,20; vgl. Röm 2,4; 10,12; 1 Kor 1,5; 2 Kor 8,9; Eph 3,8). „Nur die sind wahre Reichtümer, die wir, nachdem wir sie in Besitz genommen, nicht verlieren können“ (Augustinus, Sermo 113,4; vgl. 36,8; 50,6; Ep. 130,3; 153,26; PL 38,329.219 f.329; 33,496 f.665; Pius XII., UG 3388).
Im Umgang mit den materiellen Gütern besteht für den Menschen die Gefahr, den Sachwerten zu große Bedeutung beizumessen, vor allem wegen der Macht und der Genußmöglichkeiten, die sie gewähren. Der Mensch kann sich, bes. in Zeiten gehobenen Lebensstandards (vgl. Pius XII., UG 1479), so an die niederen Werte hängen, daß er auf die höheren nicht mehr bedacht ist und sie verliert. Jesus weiß um die Gefahr, daß „weltl. Sorgen und der Trug des Reichtums“ den Samen des Wortes Gottes im Menschenherzen ersticken (Mt 13,22). „Ein Reicher wird schwer in das Himmelreich hineingelangen ... leichter kommt ein Kamel durch ein Nadelöhr hindurch als ein Reicher in das Reich Gottes hinein“ (Mt 19,23 f). „Jene, die danach trachten, reich zu werden, geraten in Versuchungen und Fallstricke und in viele törichte und schädl. Lüste, welche die Menschen in Verderben und Untergang stürzen“ (1 Tim 6,9). „Wehe euch, ihr Reichen, denn ihr habt euren Trost empfangen“ (Lk 6,24; dazu das Gleichnis vom reichen Prasser, Lk 16,19–31). So muß der Mensch darauf bedacht sein, den materiellen Gütern gegenüber seine innere Freiheit zu wahren, das rechte Maß zu halten im Erwerben und im Gebrauchen. „Das ganze Evangelium ruft zur Losschälung auf als einer Vorbedingung des Heiles“ (Pius XII., UG 3388). Wohl sind die Güter der Erde dem Menschen zu Gebrauch gegeben. Er würde es durch ein Zuwenig am rechten Maß fehlen lassen, wenn er durch freien Verzicht auf ihren Gebrauch seine Selbsterhaltung und Selbstentfaltung beeinträchtigte. Es gibt eine Armut, die ein Leben der Tugend sehr schwer macht, weil es dazu eines ständigen Heroismus bedürfte. Bei freier Wahl der Armut (Räte) muß der Mensch daher klug überlegen, wie weit er sie sich mit Gottes Gnade zutrauen darf. Wenn er unfreiwillig in Armut gerät und sich durch alle Mühen nicht daraus befreien kann, wird er begründetermaßen Gottes Gnade zur Überwindung der Schwierigkeiten erwarten dürfen. Mit Gottes Gnade kann er dahin gelangen, die Armut in jener Geisteshaltung anzunehmen und zu ertragen, der das Himmelreich verheißen ist (Mt 5,3). Das rechte Maß an materiellen Gütern muß nach oben hin nicht kleinl. abgegrenzt werden. Auch der Christ darf über das unbedingt Notwendige hinaus einen gewissen Wohlstand haben, wenn dieser ihm in der Erfüllung seiner wesentl. Lebensaufgabe förderl. ist. Das Ausmaß der Lebensentfaltung und des ihr entsprechenden durchschnittl. Wohlstandes nimmt mit der Entwicklung der Kultur zu (vgl. Pius XII., Ansprache an Goldschmiede, UG 2548). Selbst großer Reichtum ist nicht an sich verwerfl., wenn sein Eigentümer bereit ist, ihn verantwortungsbewußt gemäß der rechten Wertordnung einzusetzen. „Machet euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit man euch, wenn er zu Ende geht, in die ewigen Zelte aufnimmt“ (Lk 16,9). Die Kirchenväter betonen, daß Reichtum nicht an sich schlecht ist, sondern durch guten Gebrauch zum Mittel der Tugend gemacht werden kann (Klemens von Al., Quis dives salvetur 14,1–6, PG 9,617; Basilius d. Gr., Hom. de invidia 5, PG 31,380 ff; Cyprian, De habitu virg. 11, PL 4,454; Augustinus, Sermo 50,4; 85,5; 177,7; PL 38,328.522 f.956–958); die Gefahr des Reichtums liege in seiner unrichtigen Einschätzung und seinem ungerechten Gebrauch (Basilius d. Gr., Hom. in illud dictum 3, PG 31,265; vgl. Pius XII., UG 2642).
Solcher Gefahr wirkt die Anspruchslosigkeit entgegen, das Sichbeschränken auf das unumgängl. Notwendige an Sachgütern. Jesus regt unverkennbar dazu an: „Sammelt euch nicht Schätze auf Erden, wo Motte und Wurm sie zerstören und wo Diebe einbrechen und stehlen. Sammelt euch vielmehr Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Wurm zerstören und wo Diebe nicht einbrechen und stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein“ (Mt 6,19–21). Er gibt den Rat der freiwilligen Armut (Mt 19,21.29). Dabei geht es nicht um einen spartanischen Lebensstil, der um seiner selbst willen gepflegt würde, sondern immer um das Freisein von niederen Werten für höhere, für den Schatz im Himmel (Mt 19,21), um das Ausschauhalten nach dem künftigen Ziel, zu dem die Menschen berufen sind und um dessentwillen sie sich die innere Freiheit bewahren sollen, „die etwas erwerben, so, als behielten sie es nicht zu eigen, die sich der Welt bedienen, so, als nutzten sie sie nicht aus; denn die Gestalt dieser Welt vergeht“ (1 Kor 7,30 f). „Enthalten wir uns, Bröder, vom Besitz privaten Vermögens; oder wenigstens von der Anhänglichkeit daran, wenn wir es nicht können vom Besitz!“ (Augustinus, De mor. eccl. cath. 67; vgl. In Ps 48 en. 1,12; Ep. 15,2; Serm. 86,5; PL 32,1338; 36,551 f; 33,81; 38,525 f).
b) Durch jedes Verhalten den Sachwerten gegenüber, das der rechten Rangordnung der Werte widerspricht, bringt der Mensch seine Bestimmung (sein Heil) in Gefahr. „Denn was wird es dem Menschen nützen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber sein Leben verliert?“ (Mt 16,26).
Unrichtig verhält sich der Geizige, der den materiellen Gütern wegen der Möglichkeiten, die sie bieten, übergroße Bedeutung beimißt, ohne diese Möglichkeiten jemals zu nützen. Statt sich ihrer zu bedienen, verfällt er ihnen als Götzen, wie wenn sie letzte Werte wären; Paulus bezeichnet den Habsüchtigen als Götzendiener (Eph 5,5). Jesus warnt vor der Habsucht (Lk 12,5) und fügt das Gleichnis von dem Mann an, der sich ganz auf sein fruchtbares Land und seine Scheunen verläßt, aber rasch abberufen wird, ohne sie nützen zu können: „So geht es jedem, der für sich Schätze sammelt und nicht reich wird vor Gott“ (Lk 12,16–21; vgl. Koh 6,1–6; Sir 11,18 f; Jak 1,9–11; 5,13). Nicht ohne Grund wird Geiz zu den Hauptsünden gezählt, da er als Übertreibung der pflichtgemäßen Vorsorge leicht zum Laster wird und da aus ihm eine Reihe anderer Übel entspringt, z.B. Verhärtung gegen Gott, Unredlichkeit und Härte gegenüber den Mitmenschen (vgl. 1 Tim 6,10).
Unrichtig verfährt mit den Sachwerten auch, wer die Möglichkeiten, die in ihnen stecken, nützt, aber nicht entsprechend der Rangordnung der Werte. Wer materielle Güter in unverhältnisnmäßig hohem Maß für Genußwerte aufwendet, handelt gegen die rechte Wertordnung. Sein Tun ist sinnwidrig, ist Verschwendung. Sein Fehler ist noch schwerer, wenn er dadurch (Sorge-) Pflichten gegen andere vernachlässigt oder seiner eigenen Gesundheit schadet. Auch jener verhält sich nicht richtig, der wohl sein Eigentum für höhere (Lebens- oder geistige) Werte einsetzt, jedoch nichts für die Pflege der höchsten Werte, der sittl.und der rel., übrig hat.
2. Es ist dem Menschen aufgegeben, sich auch hinsichtl. seines Eigentums an die sittl. Ordnung zu halten; mit anderen Worten, er soll auch im Bereich der Wirtschaft Gott als höchstes Gut und höchsten Herrn anerkennen. Jesus weist den Versucher, der ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit anbietet, „wenn du niederfällst und mir huldigst“, zurück: „Dem Herrn, deinem Gott, sollst du huldigen und ihm allein dienen“ (Mt 4,8–10). Der Mensch untersteht mit all seiner Habe Gott als dem Obereigentümer („Mir gehört das Land. Ihr seid ja nur Fremdlinge und Beisassen bei mir“, Lev 25,23). Als Untereigentümer ist er an den Willen des Obereigentümers gebunden (vgl. I 4).
3. So ist etwa darauf zu achten, daß er mit seinem Eigentum eine soziale Verpflichtung übernimmt. Dem Privat-Eigentumsrecht geht das Recht aller Menschen, von den Gütern der Erde zu leben, voraus; dieses Recht erlischt auch in der Privat-Eigentumsordnung nicht. Der Eigentümer ist daher im Gebrauch seines Eigentums nicht völlig frei, sondern muß auf seine Mitmenschen Rücksicht nehmen (vgl. Paul VI., PP 22). Diese Verpflichtung wird umso stärker, je inniger der Eigentümer mit einem Kreis von Menschen in Gemeinschaft verbunden ist und je bedeutsamer sein Eigentum für sie wird.
Das AT leitet den Eigentümer zur Rücksicht auf seinen Mitmenschen (innerh. des Volkes Israel) an. Es setzt zugunsten der Armen das Sabbatjahr (7. Jahr) fest, in dem der Bodenertrag nicht dem Eigentümer, sondern den Armen zugutekommen soll (Ez 23,10 f) und Schulden erlassen werden sollen (Dtn 15,1–3). Im Jobeljahr (50. Jahr) sollen alle früheren Eigentümer wieder zu ihrem Eigentum kommen (Lev 25,8–55).
Nach dem NT hängt das Erlangen des ewigen Heiles vom Einsatz des Eigentums im Dienst der tätigen Nächstenliebe ab (vgl. Mt 25,35–40; Barmherzigkeit). Die Sozialenzykliken sprechen von der sozialen Verpflichtung des Eigentums. Leo XIII. betont, man müsse das über den eigenen angemessenen Bedarf hinausgehende Eigentum für Notleidende verwenden (D 3267). Pius XI. zeigt eine doppelte Bedeutung des Eigentums auf, die individuale und die soziale (D 3726). Auch Johannes XXIII. unterstreicht die Sozialfunktion des Eigentums (MM, AAS 1961,430 f; PT 22). „Aber auch das Privat-Eigentum selbst hat eine ihm wesentl. soziale Seite; sie hat ihre Grundlage in der Widmung der Erdengüter an alle. Bei Außerachtlassung dieser seiner sozialen Seite führt das Eigentum in großem Umfang zu Raffgier und schweren Verirrungen; das aber liefert seinen Gegnern den Vorwand, das Eigentumsrecht als solches in Frage zu stellen“ (GS 71).
Die notwendigen Rücksichten auf den Mitmenschen im Bereich des Eigentums lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
A. Im Eigentumserwerb dürfen die Rechte anderer nicht verletzt werden. Diese haben ja auch ein Recht, materielle Güter zu erwerben und für ihren Bedarf zu verwenden (vgl. Paul VI., PP 22).
a) So ist der Erwerbende verpflichtet, das Recht des Mitmenschen, ebenfalls Eigentum in einem entsprechenden Ausmaß zu erwerben, zu achten (vgl. Johannes XXIII., MM, AAS 1961,415; PT 18–21).
Gegen die soziale Gerechtigkeit verstoßen physische Personen oder Gesellschaftsgruppen, wenn sie für sich ein Eigentumsmonopol in Anspruch nehmen und andere Einzelmenschen oder Gruppen vom Erwerb allen oder bestimmten Eigentums ausschließen oder wenn sie Anteile des Sozialproduktes, die nach dem Gerechtigkeitsgrundsatz anderen gebühren, wucherisch an sich ziehen (vgl. Preis, Lohn, Zuwachs)!
b) Der Erwerbende ist ferner verpflichtet, bestehende Eigentumsrechte anderer zu achten. Man darf fremdes Eigentum nur durch einen rechtmäßigen Erwerbstitel (vgl. III) an sich bringen und darf sich seiner nicht unrechtmäßig bemächtigen (Anmaßung fremden Eigentums).
B. Auch in der Verwendung rechtmäßig erworbenen Eigentums ist der Eigentümer zur Rücksicht auf den Mitmenschen verpflichtet. Das Recht, materielle Güter zu nutzen, ist mit sozialen Pflichten verbunden (vgl. Pius XII., UG 252 505). Wenn sich diese Güter in privater Hand befinden, verlieren sie nicht jegl. soziale Bedeutung (vgl. Pius XI., D 3726); die Allgemeinheit behält einen gewissen Anspruch auf sie.
a) Am deutlichsten kommt dieses Recht zum Vorschein, wenn ein Mensch in äußerste Not gerät. Falls er sein Leben nicht anders retten kann, darf er das dazu Nötige von fremdem Gut nehmen, selbst wenn dieses hohen Wert hat (Sachwerte bleiben immer dem menschl. Leben untergeordnet). Weil er sein Recht gebraucht, mit den Gütern der Erde sein Leben zu erhalten, darf ihm der Eigentümer das Notwendige nicht verwehren; wenn dieser es tut, verhält er sich ungerecht. Die Nächstenliebe drängt den Eigentümer sogar, von sich aus dem Notleidenden das Notwendige zu geben. Sinngemäß folgt, daß man auch den Mitmenschen mit Hilfe fremden Gutes aus äußerster Not retten darf, wenn man dazu keine andere Möglichkeit hat (vgl. Thomas von Aq., S.Th. 2,2 q.66 a.7 ad 3).
Solche Verwendung fremden Eigentums ist nicht ungerechte Anmaßung (Diebstahl), da ja der Notleidende aus seiner Pflicht, sein Leibesleben zu erhalten, heraus dazu berechtigt und verpflichtet ist. Allerdings reicht sein Recht nur so weit, wie ihm fremdes Eigentum zur Überwindung äußerster Not oder einer ihr nahekommenden Gefahr (tödl. Krankheit, schwerer Verstümmelung, unverschuldeten langen Verlustes der Freiheit) notwendig ist. In einer Not, in der es nicht um das Leben oder ähnl. wichtige Werte geht, ist der Punkt nicht erreicht, an dem man fremdes Gut heranziehen dürfte (vgl. D 2136).
Zur Vermeidung unangenehmer Folgen empfiehlt es sich, daß der in äußerster Not Befindliche bei Möglichkeit den Eigentümer um Überlassung der notwendigen Mittel bittet; die dringl. Situation (auch die Uneinsichtigkeit des Eigentümers) berechtigt aber meistens zur Unterlassung der Bitte.
b) Auch außer dem Fall der äußersten Not hat der Eigentümer sein Eigentum so zu verwenden, daß er damit je nach den Gegebenheiten auch seinen Mitmenschen dient (vgl. Pius XI., D 3728).
Wer über entsprechendes Vermögen verfügt, soll es für die Sozialwirtschaft fruchtbar werden lassen, es also sinnvoll in der Produktion einsetzen und so den Eigentumslosen die Gelegenheit bieten, auf dem Weg über das Arbeitseinkommen (durch einen gerechten Anteil am Ertrag; Lohn) zu Eigentum zu gelangen (vgl. Pius XI., D 3729; Pius XII., UG 2642 3349 4469).
c) Auch dem arbeitsunfähigen bedürftigen Menschen ist der Eigentümer verflichtet. Der Arbeitsunfähige hat ein Recht, von den Gütern der Erde zu leben, also auch ein Recht, sie im notwendigen Ausmaß zu erhalten. Die soziale Gerechtigkeit verlangt, daß jeder Eigentümer zur Bewältigung dieser Aufgabe einen Beitrag leistet, wie er sich aus der verhältnismäßigen Aufteilung aller Nöte der Bedürftigen auf die leistungsfähigen Eigentümer ergeben würde (meistens wird durch Versicherungen und darüber hinaus durch Mittel aus den Steuern vorgesorgt). Die Nächstenliebe drängt den Eigentümer, auch die Lücken auszufüllen, die sich aus dem Versagen anderer ergeben. Schrift (vgl. 1 Tim 6,18 f) und Kirchenväter (vgl. Basilius d. Gr., Hom. in divites 1, PG 31,281; Augustinus, Serm. 36,2; 60,7; 61,12; 85,5; 177,7; PL 38,215 f.405 f.413 f.522 f.956–958) mahnen die Vermögenden zur Wohltätigkeit. Leo XIII., Pius XI. und Paul VI. betonen die Verpflichtung dazu, die am Privat-Eigentum haftet (D 3267 3729; PP 23). Die großmütige Bereitschaft, materielle Göter zur Ehre Gottes und zum Wohl der Mitmenschen einzusetzen (Freigebigkeit, liberalitas), ist ein kennzeichnender Zug christlicher Sittlichkeit.
C. Aus der Sozialfunktion des Eigentums und aus der dem Staat übertragenen Gemeinwohlaufgabe ergibt sich sein Hoheitsrecht üher das Eigentum seiner Bürger (vgl. I 4). Soweit es seine Sorgepflicht erfordert, ist er berechtigt, in die Eigentumsordnung einzugreifen und zw. dem Privatinteresse und dem Gemeinwohlinteresse auszugleichen (vgl. Pius XII., UG 3392 f). Dieses Recht hat subsidiären Charakter: Eingriffe sind so weit berechtigt, als Sozialwirtschaft und einzelne Wirtschaftsgruppen nicht in sittl. Verantwortungsbewußtsein selbst vorsorgen (vgl. Pius XII., UG 6094; Johannes XXIII., MM, AAS 1961,413–415).
a) Die grundlegende Aufgabe des Staates besteht in der Durchsetzung einer richtigen Eigentumsordnung, in der das Privat-Eigentum geschützt und zugleich nach den Gemeinwohlerfordernissen begrenzt wird; gesetzl. Regelungen bedürfen der Anpassung an die wechselnden Verhältnisse (vgl. Pius XI., D 3728; Pius XII., UG 736 5644). Wenn nötig, ist der Staat nicht nur zur Regelung des Eigentumsgebrauches, sondern auch zur Übertragung der Eigentumssubstanz berechtigt (vgl. II 5 e). Er überschreitet jedoch seine Zuständigkeit, wenn er das Privat-Eigentum allg. aufhebt oder es so weit aushöhlt, daß tatsächl. nichts mehr davon übrig bleibt, oder wenn er in Einzelfällen ohne Notwendigkeit enteignet (vgl. Pius XI., D 3728; Pius XII., UG 517).
b) Zu den Aufgaben des Staates gehört es auch, auf eine richtige Verwendung der Produktionsmittel im Wirtschaftsgeschehen zu achten, also im notwendigen Ausmaß die Volkswirtschaft zu organisieren (vgl. Pius XII., UG 119 3393 f).
In erster Linie ist er berechtigt, jene Eigentümer, die es versäumen, ihr Eigentum sozialwirtschaftl. produktiv werden zu lassen, dazu zu nötigen (vgl. Paul VI., PP 24); ferner, subsidiär auf eine richtige Struktur der Volkswirtschaft hinzuwirken und für die Vermeidung und Überwindung konjunktureller Krisen vorzusorgen (vgl. Pius XII., UG 736 6200; Johannes XXIII., MM, AAS 1961,422.431–439). Auch durch eigene Unternehmertätigkeit kann der Staat organisierend wirken, soweit es für das Gemeinwohl notwendig ist (nicht durch allg. Verstaatlichung der Produktion; vgl. Pius XII., UG 370 3347; Johannes XXIII., MM, AAS 1961,429 f); im besonderen in Unternehmungen, mit denen übergroße Macht verbunden ist, so daß sie nicht ohne Gefährdung des öffentl. Wohles privaten Händen überantwortet bleiben können. Dem Staat kommt es auch zu, durch entsprechende Gesetze einen menschenwürdigen Vollzug der Arbeit zu sichern (vgl. Pius XII., UG 3395 4669 6168 f; Johannes XXIII., PT 19).
c) Um des Gemeinwohles willen muß der Staat auf eine gerechte Verteilung des Volkseinkommens achten.
Die Kapitaleigentümer sollen zu ihrem gerechten Anteil konmen. Im besonderen kann es notwendig werden, daß der Staat für die Unternehmer in den ertragsschwachen und doch notwendigen Wirtschaftszweigen subsidiär etwas tut (vgl. Pius XII., UG 5643 f).
Vor allem aber ist es Aufgabe des Staates, das Arbeitseinkommen zu begünstigen, weil für gewöhnl. die Arbeitsseite schwächer ist als die Kapitalsseite und überdies manche geschwächten Gruppen verstärkter subsidiärer Hilfe bedürfen (vgl. Lohn, Preis).
Um des Gemeinwohles willen muß der Staat auch darauf bedacht sein, denen, die arbeitsunfähig sind, oder die trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswillen keine Arbeitsgelegenheit finden, das zum Unterhalt notwendige Ersatzeinkommen zu sichern (Versicherungen, Fürsorge; vgl. Johannes XXIII., PT 11).
V. Aus dem Recht auf Eigentum an materiellen Gütern ergibt sich die Pflicht, das Eigentumsrecht des Mitmenschen zu achten und nicht durch ungerechte Anmaßung fremden Eigentums zu verletzen.