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Kastration (B.)

Karl Hörmann: LChM 1976, Sp. 832 f

B. Moraltheol.

1. Die Kastration bringt dem Personganzen des Menschen schwere Nachteile. Der Mensch wird durch sie nicht nur fortpflanzungsunfähig (vgl. Sterilisation), sondern verliert auch die innere Sekretion der Keimdrüsen, was wieder schwerwiegende physische und psychische Veränderungen nach sich zieht. Für viele bedeutet es auch ein seelisches Trauma, sich in dieser Weise verkürzt zu wissen.

2. Rechtfertigen läßt sich die Kastration nach dem Ganzheitsprinzip zur Behebung von Lebensgefahr und von schwerem Schaden für die leib-seelische Ganzheit des Menschen. Ob die Abwendung eines solchen Schadens den Eingriff gestattet, ist nach dem Modell der Handlung mit zweierlei Wirkung sorgfältig zu erwägen.

a) Mit dem Aufblühen der Barockmusik wurde die Kastration von Knaben zur Erhaltung ihrer hohen Stimmen für Opernbühnen, aber auch für Kirchenchöre übl. Schon Alfons M. di Liguori (Theol. mor. IV 374) bezeichnete die Unerlaubtheit des folgenschweren Eingriffes als die besser begründete Meinung. Benedikt XIV. (De syn. XI 7,3) und Klemens XIV. lehnten ihn entschieden ab. Zum Kirchengesang wurden ohne ihre Schuld Kastrierte freil. noch zugelassen; erst Leo XIII. verbot am 3.2.1902 ihre Verwendung in der Sixtina.

b) Selbst Schwierigkeiten in der Beherrschung des Geschlechtstriebes, wenn dieser nicht krankhaft und unheilbar überstark ist, sind kein genügender Grund zur Kastration Gegen Origenes, der sich auf diese Weise helfen wollte (Com. in Mt 19,12, Eusebius, Hist. Eccl. VI 8; PG 13,1275; 20,535 f), haben sich schon die Väter (Hieronymus, Ep. 84,8; PL 22,750; Johannes Chrys., Hom. 63 in Mt 19; PG 58,599) gewandt. Durch Kirchengesetz wurden jene, die an der Kastration selbst Schuld trugen, aus dem Klerus ausgeschlossen (1. Konz. von Nicäa 325, c.1; Synode von Arles 452, c.7; vgl. D 762). Der Mensch hat nicht das Recht, einem sittl. Kampf, den er mit Gottes Hilfe bestehen kann und durch den er reifen würde, mit dem Eingriff in seine körperl. Unversehrtheit auszuweichen (vgl. Thomas von Aq., S.Th. 2,2 q.65 a.1 ad 3).

Bei einem Menschen, der an einem übermächtigen krankhaften Sexualtrieb leidet, ist zu prüfen, ob ihm nicht durch ein harmloseres Mittel geholfen werden kann.

c) Nicht minder große Bedenken stehen der Kastration zur Empfängnisverhütung entgegen. Sie ist nicht nur im Hinblick auf die pflichtgemäße Sorge des Menschen für seine personale Ganzheit, sondern auch im Hinblick auf den Fortpflanzungssinn der Geschlechtsanlage sorgfältig zu prüfen (vgl. Sterilisation).

d) Ähnl. wie die Todesstrafe hat man in früheren Zeiten auch die Verstümmelung zur Strafe für Verbrechen als zulässig angesehen, die Kastration im besonderen für Sexualverbrechen. Pius XI. hat diese Möglichkeit offengelassen (D 3722). Eine solche Strafe erscheint jedoch in ihrer Sinnhaftigkeit als fragl.


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