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Leibesleben

Karl Hörmann: LChM 1976, Sp. 971 f

I. Dem Christen ist die Hoffnung, die Ausrichtung auf die künftigen Güter, wesentl. Dennoch weiß er, daß das Künftige im Leibesleben auf Erden grundgelegt werden muß und daß eben das Leibesleben für ihn die einzige Möglichkeit ist, seiner Bestimmung entgegenzureifen. So trägt das Leibesleben das Kennzeichen des „noch nicht“ und soll doch „schon“ kostbarer Anfang der Vollendung sein.

II. Wegen dieses Wertes gebührt dem Leibesleben Achtung und Sorge (vgl. 2. Vat. Konz., GS 14).

1. Auf diese Pflicht der rechten Selbstliebe macht den Menschen der Selbsterhaltungstrieb aufmerksam. Die Hl. Schrift stellt die Gesundheit als hohes Gut hin (Sir 30,14–16). Paulus findet als selbstverständl.: „Es hat ja noch nie einer sein eigenes Fleisch gehaßt, sondern er hegt und pflegt es“ (Eph 5,29).

2. Die pflichtgemäße Sorge erstreckt sich auf a) Erhaltung des Lebens, der Gesundheit, der Unversehrtheit der Glieder; b) Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeit), der Nahrung, der Kleidung, der gesunden und familiengerechten Wohnung, der vernünftigen Erholung; c) Fernhalten von Gefahren für Leben und Gesundheit; d) Anwendung geeigneter Mittel zur Wiederherstellung der angegriffenen Gesundheit.

Bei diesen Mitteln muß zw. (ordentl.) Mitteln, die nach Kosten, Gefährlichkeit, Schmerzen, Erfolgsaussicht usw. dem Kranken und den für ihn Verantwortlichen in ihrer Situation zugemutet werden können, und unzumutbaren (außerordentl.) Mitteln unterschieden werden. Zur Anwendung der ordentl. Mittel ist man verpflichtet; außerordentl. darf man anwenden, ohne dazu verpflichtet zu sein (vgl. Pius XII., UG 5544 5548 f).

3. Ist man zur Erhaltung des Leibeslebens verpflichtet, so darf man sich nicht selbst töten, unnötig einer Gefahr für Leben oder Gesundheit aussetzen, die eigene Lebenskraft durch Verstümmelung des Leibes schädigen (vgl. GS 27).

III. Die Bedeutung der einmaligen Gelegenheit des Reifens hat das Leibesleben für jeden Menschen. Da jeder verpflichtet ist, seiner Bestimmung entgegenzureifen, hat er auch ein Recht, nicht von anderen Menschen um diese nie wiederkehrende Möglichkeit gebracht zu werden (Pius XII., UG 1054 1112 2226 5379; Johannes XXIII., PT 11).

1. Dieses Recht zu achten ist Pflicht der Gerechtigkeit und damit auch Grundpflicht der Nächstenliebe.

2. Die ganze Menschheit (mit nur seltenen Ausnahmen) ist von der Unantastbarkeit schuldlosen Menschenlebens als einem Grundrecht der menschl. Person überzeugt. „Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person“ (Allg. Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen, 10.12.1948, Art. 3). Die Offenbarung bestätigt dieses Menschenrecht durch das Verbot der Tötung.

3. Niemals kann die absichtl. Tötung eines Schuldlosen erlaubt sein; ebensowenig die unnötige Gefährdung seines Lebens, die absichtl. Schädigung seiner Gesundheit, die Beeinträchtigung seiner Lebenskraft durch Verstümmelung (vgl. GS 27).


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