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Predigt:

Im Herzen Jesu begegnet uns Gottes Liebe

30. Sonntag im Jahreskreis B (27.10.2024)

L1: Jer 31,7-9; L2: Hebr 5,1-6; Ev: Mk 10,46-52


Josef Spindelböck

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Unser Heiliger Vater, Papst Franziskus, hat am Donnerstag, dem 24. Oktober 2024, eine Enzyklika – also ein allgemeines Lehrschreiben – veröffentlicht, das den Titel trägt: „Dilexit nos“. Es bezieht sich auf die Liebe des Erlösers, unseres Herrn Jesus Christus, die in seinem heiligsten Herzen offenbar wird.

Der Papst ist der Auffassung, dass im menschlichen Leben das, was wir mit dem Herzen meinen und darunter verstehen, oft zu kurz kommt. Gemeint ist nicht das körperliche Herz, sondern die Herzmitte der Person, also das, was uns zuinnerst ausmacht und charakterisiert. So gesehen ist das Herz jenes Zentrum der Person, von dem alle unsere Entscheidungen ausgehen. Es ist der Sitz der Gedanken und der Gefühle, aber auch der Entschlüsse.

Wir seien oft zu rational, also zu verkopft, indem wir einseitig der Wissenschaft und der Technik vertrauen. Auch gebe es zu wenig Empathie – Mitgefühl – angesichts des Leidens und der Not anderer Menschen. Die Herzlosigkeit zeigt sich insbesondere in Kriegen und bewaffneten Konflikten, aber auch in der Zerstörung der Umwelt und in der Missachtung des menschlichen Lebens.

Eine Antwort darauf sieht der Papst in der Erneuerung der Verehrung des Heiligsten Herzens Jesu. Denn in ihm begegnet uns Gott selbst auf zugleich göttliche und menschliche Weise. Unser Glaube, unsere Religion ist nicht in erster Linie ein Moralsystem oder eine Sammlung von Gesetzen und Vorschriften. Es geht vielmehr um lebendige Beziehung: zu Gott und zu den Mitmenschen. Hier zeigt uns Jesus selbst auf, dass wir ein Herz haben sollen, das sich von der Liebe leiten lässt.

Gerade das Evangelium dieses 30. Sonntags im Jahreskreis lässt uns die Zuwendung Jesu Christi zu den Armen und Leidenden sowie zu den in irgendeiner Weise beeinträchtigten Menschen erkennen. Da ist ein blinder Mann, der sich voll Vertrauen an Jesus wendet und ihn ausdrücklich anfleht: „Sohn Davids, Jesus, hab Erbarmen mit mir!“ Was ist dies anderes als ein Appell, ein Ruf, ein Schrei der Not, der sich direkt an das Herz Jesu richtet?

Und wie antwortet Jesus? Ignoriert er diesen Mann, weil er lästig und unbequem ist? Keineswegs! Er wendet sich ihm in Liebe zu, und zwar anders als die Menschen in unmittelbarer Nähe, die dem blinden Bettler befehlen, er solle schweigen. Jesus ruft ihn zu sich und fragt ihn, was er tun soll. Der Blinde möchte verständlicherweise wieder sehen. Jesus aber heilt ihn, denn er hat ein Herz für diesen Menschen. Seine Not ist ihm nicht gleichgültig. Wie Jesus dann selbst sagt: „Geh! Dein Glaube hat dich gerettet.“ Wesentlich ist also die Glaubensbeziehung zu Jesus, dem Herrn und Erlöser. Der Glaube ist gleichsam der Schlüssel zur Gotteserkenntnis und Gottesbegegnung. Und auf dieser Grundlage können sich Hoffnung und Liebe einstellen, und der ganze Mensch wird heil, weil er in Gottes Liebe geborgen ist.

Wir haben also in diesem Lehrschreiben eine Einladung zum Gebet, welches viele Formen annehmen kann. Wichtig ist es, dass wir uns selber in die Gegenwart Gottes versetzen. Gott ist überall, doch wir sollen ihn auch bewusst im Glauben wahrnehmen. So wird es gut sein, Zeiten und Orte der Stille aufzusuchen. In besonderer Weise ist es das Gebet in der Kirche, wo uns im Tabernakel der Herr selbst einlädt, bei ihm zu verweilen, da er gegenwärtig ist unter der Gestalt des Brotes. Ihn dürfen wir auch auf feierliche Weise anbeten, wenn das heilige Sakrament in der Monstranz ausgesetzt wird, und so empfangen wir auch den Segen Gottes.

Wer aber wollte hier an der Jungfrau und Gottesmutter Maria vorbeigehen, die uns doch einlädt, das Wort Gottes im Herzen aufzunehmen und zu betrachten? Ihre Fürbitte geleitet uns zu ihrem Sohn Jesus Christus. Ihr mütterliches Herz verbindet uns mit dem Heiligsten Herzen Jesu. Das Rosenkranzgebet lässt uns glaubend nachdenken über die Geheimnisse des Heiles. Und auch der heilige Josef hatte ein väterliches Herz für das Jesuskind, das seiner Obsorge anvertraut war.

Der Papst lädt uns ein, auf die Herzmitte unseres Daseins zu blicken: auf den lebendigen Gott, der sich geoffenbart hat in der Menschwerdung seines Sohnes Jesus Christus. Wir sollen gleichsam Menschen mit Herz sein, also Menschen, die sich berühren lassen von der Freude und vom Leid der Mitmenschen und die auf diese Weise auch zulassen, dass das eigene Herz von der Liebe Gottes ergriffen und gleichsam „verwundet“ wird. Gewiss wird dann unsere Welt ein Stück weit menschlicher werden, und all dies ist gleichsam ein Abglanz dessen, was uns verheißen ist im Himmelreich. Amen.