Predigt:
Der Aufruf Jesu zur Wachsamkeit
19. Sonntag im Jahreskreis C (10.08.2025)
L1: Weish 18,6-9; L2: Hebr 11,1-2.8-19; Ev: Lk 12,32-48
Josef Spindelböck
Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!
Hat Jesus seine Jünger und seine Zuhörerschaft bewusst provoziert? Manche Stellen in den Evangelien klingen so, als ob er dies getan hätte. Ihre Radikalität erschreckt und verunsichert auch uns. Aber gerade deshalb sollen wir den Worten Christi nicht ausweichen oder sie vorschnell umdeuten. Fragen wir uns vielmehr: Wie treffen uns die Worte des Herrn? Wo haben wir keine Probleme ihnen zuzustimmen, und wo gibt es für uns Schwierigkeiten? Ehrlichkeit und Gottvertrauen sind angesagt.
Gemäß dem heutigen Evangelium nach Lukas soll uns als Christen vor allem eine wachsame Bereitschaft in der Erwartung des Herrn auszeichnen (vgl. Lk 12,35–40). Den Jüngern Jesu soll eine heilsame Unruhe zu eigen sein. Sie geben sich nicht einfach zufrieden mit dem Istzustand dieser Welt. Sie sind sich bewusst, dass alles vorläufig ist und wir auf ein letztes Ziel zugehen. Oder noch persönlicher: Sie leben in der Ausrichtung auf den wiederkommenden Christus, den sie im Herzen mit Freude erwarten.
Was daher unbedingt zu vermeiden ist: dass wir geistlich tot sind. Dies wäre dann der Fall, wenn uns die Verbundenheit mit dem lebendigen Gott abhanden gekommen sein sollte. Man muss hier freilich unterscheiden zwischen einer Prüfung und einer bewussten Entscheidung gegen Gott. Eine Glaubensprüfung, wie sie Abraham wiederholt erlebte, dessen Glauben in der Lesung aus dem Hebräerbrief (vgl. 11,8 ff) besonders gerühmt wird, macht uns innerlich reifer, auch wenn sie eine innere Herausforderung ist. Denn man sieht nicht die Erfüllung und kann sogar Situationen begegnen, die einen zutiefst verunsichern. Und dennoch glaubt dieser Mensch und hofft auf den Herrn, auch dort, wo vieles diesen Glauben in Frage stellt. So mag es vielleicht eine komplizierte Familiensituation sein, wo man momentan keinen Ausweg sieht, oder auch eine schwere Krankheit oder eine große Enttäuschung durch einen Menschen, dem man vertraut hat. In allem jedoch gilt: Der Herr ist nahe, er wird sich uns zeigen und uns sein Angesicht zuwenden, sodass wir aufleben und uns freuen dürfen!
Anders wäre es freilich, wenn jemand in bewusster Entscheidung mit Gott und der Kirche nichts zu tun haben will. Doch auch hier gilt: Gott allein kennt die Herzen der Menschen. Es könnte dann immerhin der Fall sein, dass dieser Mensch geistlich verdorrt und innerlich abstirbt, weil ihm die Verbindung zur Quelle des Seins und des Lebens fehlt, eben zu Gott. Genau diese Gefahr sieht auch Jesus, und davor warnt er jene, die ihm nachfolgen. Im Leben gibt es ja nicht nur ein Entweder – Oder, und so kann es vorkommen, dass man fast unbemerkt gewisse Dinge vernachlässigt, wie z.B. das Gebet. Und so entfernt man sich immer weiter von Gott, bis zu dem Punkt, wo dann jemand sagt: Mir geht Gott gar nicht ab; ich brauche ihn nicht, weil das Leben auch so (angeblich) gut verläuft.
Gott selbst achtet unsere Freiheit auch dort, wo wir in die Irre gehen oder uns bewusst von ihm abwenden. Und doch geht er einem jeden nach wie ein guter Hirte, wenn sich eines seiner Schäflein verlaufen hat.
Vertrauen wir uns bewusst jeden Tag aufs neue dem Herrn an, und tun wir dies, indem wir zur Gottesmutter Maria und allen Engeln und Heiligen des Himmels unsere Zuflucht nehmen. Gott kennt unseren Weg, er weiß, was für uns gut ist. Er möge uns zum ewigen und seligen Leben in der Herrlichkeit des Himmels geleiten! Amen.