Predigt:
Zachäus, komm schnell herab vom Baum!
31. Sonntag im Jahreskreis C (30.10.2022)
L1: Weish 11,22-12,2; L2: 2 Thess 1,11-2,2; Ev: Lk 19,1-10
Josef Spindelböck
Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!
Wie ist es möglich, dass viele Menschen durch die Begegnung mit unserem Herrn Jesus Christus besser geworden sind oder sich gar bekehrt haben wie Zachäus? Denn von diesem Zollpächter ist im heutigen Evangelium nach Lukas die Rede.
Zöllner und Zollpächter waren im jüdischen Volk verhasst, weil sie mit der römischen Besatzungsmacht zusammenarbeiteten. Die verhängten Steuern waren übermäßig hoch – durfte doch der Zollpächter einen großen Teil für sich behalten. Die Hauptsache war nur, dass er dem Römischen Reich den vereinbarten Betrag abliefern konnte.
Nun aber wird so ein öffentlicher Sünder durch die Anwesenheit Jesu, durch seine Person und sein Wirken, im Innersten ergriffen, und er bekehrt sich. Die Menschenmenge ist groß; Zachäus ist klein von Gestalt; niemand lässt ihn an Jesus heran, und so steigt er auf einen Maulbeerfeigenbaum, um Jesus wenigstens aus der Nähe zu sehen … Alle menschlichen Rücksichten lässt dieser Zollpächter fallen; er ist bereit, sich zum Gespött der Menschen zu machen, weil er Jesus nahe sein will. So sehr hat ihn die Gnade Gottes bereits innerlich ergriffen!
Und dann geschieht das Wunderbare: Jesus schaut zu ihm hinauf, als er vorbeikommt, und ruft ihn bei seinem Namen: „Zachäus, komm schnell herunter! Denn ich muss heute in deinem Haus bleiben.“ Eine größere Ehre hätte ihm Jesus nicht erweisen können, und mit großer Bereitschaft geleitet Zachäus Jesus in sein Haus. Zugleich aber „beichtet“ er bei Jesus, indem er öffentlich bekundet, seine früheren Ungerechtigkeiten wieder gut zu machen. Er will die Hälfte seines Vermögens den Armen geben, und wenn er von jemandem zu viel gefordert hat, gibt er das Vierfache zurück – so sagt er, und er meint es ehrlich.
Jesus aber bekundet ausdrücklich, dass er niemanden vom Heil ausschließen will. Gerade jene, die verloren sind, will der Menschensohn suchen und retten!
Die Kirche – und dazu gehören wir alle – ist aufgerufen, das Heilswerk Jesu Christi gegenwärtig zu machen und für unsere Zeit fortzusetzen. Gibt es auch in unserer Zeit solche Gnadenwunder, dass Menschen ihr bisheriges Leben überdenken und sich, obwohl sie Sünder sind, ganz dem Herrn anvertrauen? O ja, gewiss! An manchen Wallfahrtsorten oder auch bei Fatima-Feiern werden Menschen zuinnerst von der Liebe Gottes ergriffen. Sie spüren: Gott liebt sie, auch wenn sie versagt haben. Und er schenkt ihnen einen Neuanfang. Die Gnade der Vergebung wird ihnen im Bußsakrament zuteil. Und egal, was die Menschen um sie herum sagen werden: Ab heute wollen sich diese Menschen bemühen um ein Leben in der Verbundenheit mit Gott!
Wie aber reagieren die „Frommen“, die eine Bekehrung, eine Umkehr zu Gott und zum Guten angeblich nicht nötig haben? In den Evangelien gibt es viele Stellen, wo gerade diese Anstoß am Verhalten Jesu gegenüber den Sündern nehmen. Ihnen scheint es schwer erträglich, dass jemand, der sich jahrelang um Gott und seine Gebote nicht gekümmert hat, nun plötzlich dazugehört, weil sie oder er sich bekehrt hat.
Und doch muss uns das als christliche Gemeinde auszeichnen: Dass wir ein Ort des Willkommens sind für alle Menschen, die dazugehören wollen. Wir dürfen niemanden ausgrenzen, woher er auch kommt. Dies bedeutet gewiss nicht, alles gelten und durchgehen zu lassen. Doch Menschen wie Zachäus haben bewiesen, dass man auch mit einer schwierigen und belasteten Vergangenheit zu Jesus kommen und Vergebung empfangen kann. Ein echter Neubeginn wird möglich.
Wir alle sind eingeladen, immer wieder den Herrn aufzusuchen: im stillen oder gemeinsamen Gebet zu Hause oder hier in der Kirche, in guten Werken, die wir unseren Nächsten in Liebe erweisen und auch in der Art und Weise, wie wir Menschen begegnen, die der Kirche und dem Glauben noch fern sind, die aber vielleicht schon bald dazu gehören werden – denn Gott allein kennt die Herzen der Menschen! Amen.