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Bekehrung

Karl Hörmann: LChM 1976, Sp. 86-97

Wenn sich der Mensch durch die Sünde von Gott trennt, gibt dieser ihn nicht auf, sondern hält die Berufung des Menschen zur Gottgemeinschaft aufrecht und ist bereit, ihm zur Bekehrung zu helfen und ihm unter Voraussetzung der Bekehrung die Sünden zu vergeben. So kann auch der Sünder die Erfüllung seiner Bestimmung finden in „Gott, den zu verlassen Tod, den wieder aufzusuchen Neugeburt, in dem zu wohnen Leben ist“ (Augustinus, Solil. I 1,3, PL 32, 870).

I. Von der Bereitschaft Gottes, Sünden zu vergeben, kündet die Offenbarung.

1. Das AT weiß davon vorwiegend im Hinblick auf die Sünden des gesamten Volkes Israel: „Ich tilge deine Missetaten wie eine Wolke und deine Sünden wie ein Gewölk. O kehre um zu mir; denn ich habe dich erlöst!“ (Jes 44,22; vgl. 38,17; 43,25; Jer 3,12; 31,34; 38,8 unda.). Der liebende Gott will nicht den Untergang, sondern die Bekehrung der Sünder. „Habe ich etwa so großes Gefallen am Tode des Gottlosen, spricht Jahwe, der Herr, und nicht vielmehr daran, daß er sich von seinem Wandel bekehre und lebe?“ (Ez 18,23).

2. Das NT spricht reichl. davon, daß Gott in seiner Vaterliebe (Lk 15,11–32) und in Treue zu seinen Verheißungen (Röm 3,5; 1 Joh 1,9) bereit ist, der Sünden des Menschen nicht zu gedenken (Hebr 8,12 ; 10,17), sie zuzudecken und nicht anzurechnen (Röm 4,7 f), sie fortzunehmen (Röm 11,27), den Menschen von ihnen zu reinigen (2 Petr 1,19), an ihm Erbarmen zu üben (Eph 2,4), sich versöhnen zu lassen (Röm 5,10 f; 11,15; 2 Kor 5,18 f; Hebr 8,12) und dadurch den Sünder gerecht zu machen und zu erlösen (Röm 3,26.28; 4,2.5; 8,30.33; 1 Kor 4,4; Gal 3,8.11; 5,4; Jak 2,21.24 f). Gott gewährt die Vergebung als Gnadengeschenk durch Jesus (Apg 10,34; Röm 5,10 f; 2 Kor 5,18 f; Eph 1,7; Kol 1,14; 2,13), der als Mittler die Sünden durch Hingabe seines Lebens (seines Blutes) sühnt (Mt 20,28; 26,28; Joh 1,29; Röm 3,25; Kol 2,14; Hebr 1,3; 2,17; 9,14; 1 Petr 1,18 f; 1 Joh 1,7; 3,5; 4,10; vgl. Jes 53; Sach 12,10–14). Jesus vergibt auch aus eigener göttl. Machtvollkommenheit Sünden (Mk 2,5 f; Lk 7,48 f).

a) Unter Voraussetzung der Bekehrung werden von Gott alle Sünden vergeben. Jesus sagt zwar: „Alle Sünden und Lästerungen werden den Menschenkindern vergeben werden, soviel sie auch lästern mögen. Wer aber gegen den Hl. Geist lästert, findet in Ewigkeit keine Vergebung, sondern ist ewiger Sünde schuldig“ (Mk 3,28 f). Zur Erklärung ist darauf zu achten, daß der Herr dieses Wort in der Auseinandersetzung mit Schriftgelehrten (Mk 3,22; Pharisäern, Mt 12,24) spricht, die nicht anerkennen wollen, daß in seinen Wundern die Kraft des Hl. Geistes wirkt und offenbar wird, sondern diese Werke dem Satan zuschreiben. Mit der Sünde wider den Hl. Geist meint er ihre Verstocktheit; der Bekehrungswille, der ihnen mangelt, ist ja unerläßl. Voraussetzung jeder Vergebung. Keine Sünde kann nachgelassen werden, solange der Mensch in ihr verharren will.

Der ungenügende Bekehrungswille mag der Grund dafür sein, daß im AT das Haus Heli (l Sam 3,11–14) und Saul (1 Sam 15,22 f.26) nicht Verzeihung finden.

Einige Stellen des NT scheinen zu sagen, daß manche Sünden von Christen keine Vergebung erlangen. So der Rückfall in die Sünde: „Es ist näml. unmögl., solche, die einmal erleuchtet worden sind und die himmlische Gabe verkostet haben, des Hl. Geistes teilhaftig sind und das herrl. Wort Gottes sowie die Kräfte der zukünftigen Welt verkostet haben und dennoch abgefallen sind, wiederum zu neuer Umkehr zu bringen, da sie den Sohn Gottes für ihre Person abermals kreuzigen und zum öffentl. Gespött machen“ (Hebr 6,4–6). „Wenn wir näml. mutwillig sündigen, nachdem wir die klare Erkenntnis der Wahrheit erlangt haben, dann bleibt kein Opfer für die Sünden mehr übrig, wohl aber eine furchtbare Erwartung des Gerichtes und des Zornes eines Feuers, das die Widersacher verzehren wird. Wenn einer das Gesetz des Mose verworfen hat, so muß er auf Grund von zwei oder drei Zeugen ohne Erbarmen sterben. Einer wieviel schwereren Strafe, meint ihr wohl, wird der für schuldig erachtet werden, der den Sohn Gottes mit Füßen getreten und das Blut des Bundes, durch das er geheiligt worden ist, gemeingeachtet und den Geist der Gnade verhöhnt hat?“ (Hebr 10,26–29). Zur Bekräftigung wird auf Esau verwiesen: „Ihr wißt ja, daß er nachher, als er den Segen zu gewinnen begehrte, abgewiesen wurde; denn zur Sinnesänderung fand er keinen Raum, obwohl er sie unter Tränen suchte“ (Hebr 12,17). Zum Verständnis ist zu beachten, daß der Hebräerbrief das pastorale Anliegen hat, die Christen von der Sünde abzuhalten. So warnt er nachdrückl. vor dem Unheil, das durch die Sünde heraufbeschworen wird, ohne daß die Frage der Vergebung systematisch nach allen Seiten durchdacht würde. Dem Vorhaben des Briefes würde es sogar zuwiderlaufen, wenn von der Möglichkeit der Bekehrung und der Vergebung auch nach dem Rückfall gesprochen würde. Die „Unmöglichkeit“ der Bekehrung des Rückfälligen ist dahin zu verstehen, daß er die Zeit dazu leicht versäumen und durch die entgegenstehenden beträchtl. Schwierigkeiten davon abgehalten werden kann („moralische Unmöglichkeit“). Daß auch der rückfällige Christ die Möglichkeit hat, von der Sünde frei zu werden, scheint sich aus der Mahnung zu ergeben: „So wollen auch wir, da wir eine so große Wolke von Zeugen um uns haben, allen Ballast und die uns leicht umgarnende Sünde ablegen und mit Ausdauer im Wettkampf laufen, der uns obliegt“ (Hebr 12,1).

Ähnl. ist das Wort von der Sünde zum Tode zu verstehen: „Wenn einer seinen Bruder eine Sünde begehen sieht, die nicht zum Tode ist, so soll er Fürbitte einlegen, und er wird ihm Leben geben, denen näml., die nicht zum Tode sündigen. Es gibt eine Sünde zum Tode. Nicht von der sage ich, daß er Fürbitte einlegen soll. Jede Ungerechtigkeit ist Sünde, und es gibt Sünde, die nicht zum Tode ist“ (1 Joh 5,16 f). Die Sünde zum Tode scheint sich mit der Sünde wider den Hl. Geist zu decken: Sie besteht in der Verhärtung gegen Gott. Für einen endgültig Verhärteten kann das Gebet nichts mehr erreichen. Wer weiß freilich, daß ein Sünder endgültig verhärtet ist?

b) Auch der Gewohnheitssünder darf nicht verzweifeln, und man darf an ihm nicht verzweifeln. Seine Bekehrung bleibt selbst nach oftmaligem Versagen mögl. „An keinem Lebenden soll man verzweifeln“ (Augustinus, In Ps 36 en. serm. 2,11, PL 36,370). „Auch bei Gewohnheitssündern, auch bei sittl. verdorbenen Menschen ist die Kraft Christi nicht zu gering zur Erweckung. Tägl. sehen wir Menschen, die ihre böse Gewohnheit ablegen und dann besser werden als ihre früheren Tadler“ (Augustinus, In Io tr. 49,3, PL 35,1748). Natürl. ist dazu notwendig, daß der Sünder in seinem von der Gnade angeregten guten Willen, den er auf alle erdenkl. Art zu festigen und in die Tat umzusetzen trachtet, dem weiteren Wirken der Gnade einen Ansatzpunkt bietet.

II. Auch in der Sündenvergebung achtet Gott ja die freie Entscheidung des Menschen. Sie wird dem Menschen nur gewährt, wenn er sich bekehren will, d.h. von der Sünde ablassen und Gott gewinnen will. Damit wird eben der Vorgang der Sünde umgekehrt, in der der Mensch ein geschöpfl. Gut in einer der sittl. Ordnung widersprechenden Weise angestrebt und damit sich von Gott abgewandt hat. „Gott mißfällt dein ungutes Leben; gefällt es dir, so steht eine Scheidewand zw. ihm und dir; mißfällt es aber auch dir, so bist du mit ihm eins“ (Augustinus, ln Ps 75 en. 3; vgl. Ep. 143,3; Conf. IV 3,4; PL 36,859; 33,586; 32,694).

1. Die Bekehrung wird als Voraussetzung der Sündenvergebung schon im AT klargemacht: „Ich habe ja kein Wohlgefallen am Tode, spricht Jahwe, der Herr. So kehret um, und ihr sollt leben“ (Ez 18,32; vgl. 18,21–23.27 f.30 f; Jer 8,5; 31,18 f). Die Heilsbotschaft Jesu beginnt mit der Aufforderung zur Bekehrung Schon Johannes der Täufer predigt Sinnesänderung (Mt 3,8; Lk 3,7 f) und spendet denen, die dazu bereit sind, die Bußtaufe (Mt 3,11; Mk 1,4 f). Jesus selbst kommt, um die Sünder zur Umkehr zu rufen (Lk 5,32): „Kehret um! Denn das Himmelreich ist nahegekommen“ (Mt 4,17; vgl. Mk 1,15). „In seinem Namen soll, ausgehend von Jerusalem, Umkehr und Vergebung der Sünden allen Völkern verkündet werden“ (Lk 23,47). Die Apostel fangen denn auch ihre Verkündigung mit der Forderung an: „Tut also Buße und bekehret euch, damit eure Sünden getilgt werden“ (Apg 3,19; vgl. 2,38; 8,22; 2 Kor 7,9 f; Offb 2,5; 3,19).

2. Das Kernelement der Bekehrung bildet die Reue, das ehrl. Bedauern der begangenen Sünde und die innere Lossage von ihr („animi dolor ac detestatio de peccato commisso“, D 1676) um Gottes willen. Die Sünderin „begann mit ihren Tränen seine Füße zu benetzen“ (Lk 7,38; vgl. 15,18 f.21; 18,13 f; Ps 50 [51],9). Für den Reue“schmerz“ kommt es in erster Linie auf die Verwerfung der Sünde durch den Willen an; so wünschenswert es scheint, daß diese Haltung den ganzen Menschen, auch im Gefühlsbereich, durchdringt, gelingt dies doch nicht immer nach Wunsch (vgl. Thomas von Aq., S.Th. suppl. q.3 a.1).

Zur Reue kann der Sünder nur kommen, wenn er demütig ist, d.h. bereit, sich wirklichkeitsgetreu zu sehen und sein Versagen vor sich selbst, vor Gott und (wo es sinnvoll ist) vor den Menschen zu bekennen. „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu heißen“ (Lk 15,18 f.21; vgl. 1 Joh 1,8 f; Offb 3,17 f; Ps 50 [51],5).

Zur echten Reue gehört der Vorsatz, sich künftig nicht mehr durch die Sünde von Gott trennen zu lassen („cum proposito non peccandi de cetero“, D 1676; der Vorsatz bezieht sich auch auf das rechte Verhalten hinsichtl. der Gelegenheit und der Versuchung zur Sünde), also ein gottverbundenes Leben zu führen, durch die sündenreinigende Kraft des Blutes Jesu im Licht zu wandeln (vgl. 1 Joh 1,7), bes. in Glauben (Lk 7,50; Apg 10,43; 13,38 f; Röm 4,24 f), Frömmigkeit und Nächstenliebe (1 Petr 4,8; 2 Petr 1,8 f) und brüderl. Verzeihungsbereitschaft (Mt 6,12.14 f; 18,23–35; Mk 11,25 f; Lk 11,4) und auf die Gnadenangebote einzugehen, die Gott dazu in den Sakramenten, bes. in der Taufe und im Bußsakrament macht (Apg 2,38; 22,16; 1 Kor 6,11; Kol 2,11–13; Joh 20,23). Zur Reue gehört auch die Bereitschaft, für die begangenen Sünden nach Möglichkeit Genugtuung zu leisten.

Zur Versöhnung mit Gott kann den Sünder natürl. nur eine echte Reue führen, nicht eine vorgetäuschte; auch nicht eine bloße Furchtreue, die ihn nur wegen der drohenden Strafe von der Sünde abhält, ohne ihn innerl. von ihr zu lösen; auch nicht eine Reue, die aus irgendwelchen Gründen (z.B. wegen der natürl. Häßlichkeit oder der Gesundheitsschädlichkeit eines Verhaltens) zwar von der Sünde weg-, aber nicht zu Gott hinführt; sondern nur eine Reue, bei der es dem Sünder mit Hilfe der Gnade darum geht,Gott zu gewinnen (übernatürl. Reue; vgl. Thomas von Aq., S.Th. 1,2 q.113 a.5 ad 1; 3 q.85 a.2; q.86 a.1 ad 1; a.3). Formen der Reue, die für sich allein nicht befriedigen, können doch als Vorstufen befriedigenderer Formen Bedeutung haben: Eine bloße Furchtreue kann ein erster Anstoß auf eine rechte Reue hin sein (vgl. Thomas vonAq., S.Th. 2,2 q.19 a.2 ad 4.6); und eine bloß natürl. Reue kann unter dem Einfluß der Gnade in übernatürliche umgewandelt werden.

Von geschehener Bekehrung kann man erst bei einer Reue sprechen, die nicht bloß Anwandlung geblieben ist, sondern zur entschiedenen Umkehr, d.h. zur entschiedenen Abkehr von der Sünde und zur entschiedenen Hinkehr zu Gott geworden ist. Einen derart Reuigen weist die Barmherzigkeit Gottes, der das Heil aller Menschen will (vgl. 1 Tim 2,4), nicht zurück.

Zu solcher Entschiedenheit reift die Reue unter dem Einfluß der Gnade. Es kann sein, daß sie in ihren Anfängen zwar echt, aber noch nicht stark genug für eine entschiedene Abkehr von der Sünde und eine entschiedene Hinwendung zu Gott ist. Zur Sündenvergebung und zur Gottverbundenheit kann sie nur führen, wenn sie noch vervollkommnet wird (vgl. Thomas von Aq., Sent. 4 d.17 q.3 a.5 ad 1; d.18 q.1 a.3 ad 1; d.22 q.2 a.1 ad 3). In diesem Sinn versteht die Hochscholastik die Attritio, die Reue, durch die die Todsün de zwar angerieben (atterere = anreiben), aber nicht zerrieben wird. Im selben Sinn läßt sich auch verstehen, was das Konzil von Trient von der Attritio sagt: Sie geht nicht aus dem Antrieb des einwohnenden Hl. Geistes hervor (d.h. mit ihr ist noch nicht die Gottverbundenheit gegeben), wohl aber aus dem Antrieb des bewegenden Hl. Geistes, mit dessen Hilfe der Sünder den Weg zur Gerechtigkeit (zur Gottverbundenheit) einschlagen kann; in diesem Sinn ist sie Gabe Gottes (D 1678). Motive können für sie die Schändlichkeit der Sünde (D 1678 1705), die Furcht vor der Hölle (Mt 5,29; 10,28 ; Joh 5,14; D 1678 1705) oder vor dem Verlust der ewigen Seligkeit (Phil 2,12; D 1705) sein. Wenn sie den wirkl. Willen enthält, die Sünde zu meiden (D 1678) und das Leben zu bessern (D 1705), ist sie nicht Heuchelei, durch die der Sünder noch schlechter würde (D 1678 1705; vgl. 1456 1558), sondern wahre Reue und nützl. (D 1705; vgl. 1526). Für sich genommen (per se) kann sie zwar den Sünder nicht rechtfertigen (D 1678), wohl aber ihn auf die im Bußsakrament zu erlangende Gnade vorbereiten (D 1678 1705). Die Attritio kann zur Contritio (conterere = zerreiben) ausreifen, in der die Abwendung von der Todsünde und die Hinwendung zu Gott so stark werden, daß der Mensch Vergebung der Sünden empfangen und zur Gottverbundenheit gelangen kann. Der Augenblick allerdings, wann der Sünder diese Stärke der Reue erreicht, läßt sich schwer bestimmen. Der Mensch kennt seine eigene Verfassung nicht so sicher, daß er unfehlbar behaupten könnte, er sei so weit. Nur Anzeichen gibt es dafür, vor allem die Bereitschaft, sich der Kirchenbuße zu unterwerfen, und das nachfolgende geordnete Leben in der Kirche; freil. muß nicht unbedingt auf eine genügend starke Reue ein vollkommenes christl. Leben folgen, da der Mensch inkonsequent, lau und nachlässig ist, sodaß vor allem läßl. Sünden leicht wieder vorkommen. Das Konzil von Trient (D 1677) nennt Contritio jene Reue, die durch die Liebe vollkommen ist (contritionem caritate perfectam), und sagt von ihr, daß sie den Menschen schon vor dem Empfang des Bußsakramentes mit Gott versöhnt, allerdings nicht ohne den in sie eingeschlossenen Vorsatz zum Empfang des Sakramentes.

Es geht nun um die Frage, was unter einer „durch die Liebe vollkommenen Reue“, die den Sünder mit Gott versöhnt, zu verstehen ist. Die Scholastiker sind überzeugt, daß es für die Sündenvergebung auf die Stärke der Reue ankommt: Nur eine Reue, die eine entschiedene Bekehrung von der Sünde zu Gott herbeiführt (contritio), reicht dazu aus, nicht aber eine Reue, die diese Stärke nicht erlangt (attritio). Bajanismus und Jansenismus verlagerten das Gewicht auf das Motiv: Sie wollten nur jene Reue als echt und zur Rechtfertigung hinreichend gelten lassen, die die Liebe zum Motiv hat. Das Konzil von Trient hat die Attritio als echt und nützl. in Schutz genommen (D 1678 1705); allerdings genüge zur Rechtfertigung nicht sie, sondern nur die Contritio, die „durch die Liebe vollkommen ist“ (D 1677 1678). Unter der Liebe, die die Reue vollkommen macht, könnte man das bewußt unterhaltene Liebesmotiv verstehen. Es kann aber auch eine Reue gemeint sein, in der in freier Entscheidung, wenn auch ohne ausdrückl. und ständige Motivvergegenwärtigung, das Wesen der Liebe, näml. die ganzpersonale Zuwendung des Menschen zu Gott, verwirklicht wird. Wenn sich der Sünder von der Sünde aus Furcht vor ihren Folgen (Verlust des eigenen Heiles usw.) innerl. lösen und Gott (in dem er eben das Heil findet) zuwenden will, verwirklicht er zumindest eine anfangende Liebe („diligere incipiunt“, D 1526), die seine Furcht schon nicht mehr bloße Furcht sein, sondern sie zur ehrfürchtigen Zuneigung werden läßt. Ob er dabei zum Motiv mehr das Unheil, das er von der Gerechtigkeit Gottes für die Sünde zu erwarten hat und dem er entrinnen will, oder mehr Gott, dem er sich zuwendet, um seine Liebe nicht zu verletzen, nimmt, das ändert nichts am Wesen dieser Reue, zumal dabei nur die eine oder die andere Seite desselben Vorganges ins Auge gefaßt wird. „Es ist Sache ein und derselben Tugend, den einen von zwei Gegensätzen zu erstreben und den anderen zu fliehen. Und darum ist es Sache der Liebe, Gott zu lieben wie auch die Sünden zu verabscheuen, durch welche die Seele von Gott getrennt wird“ (Thomas von Aq., S.Th. 1,2 q.113 a.5 ad 1). So kann eine Reue, bei der nicht das ausdrückl. Liebesmotiv im Vordergrund steht, doch vom Wesen der Liebe geprägt sein und unter dem Einfluß des einwohnenden Hl. Geistes stehen und in diesem Sinn „durch die Liebe vollkommene Reue“ sein. Diese Deutung legt sich nahe, wenn man beachtet, daß nach der Aussage des Konzils von Trient die Attritio, die ohne Bußsakrament für sich allein den Sünder nicht zur Rechtfertigung führen kann, nicht vom einwohnenden, sondern nur vom bewegenden Hl. Geist bewirkt wird (D 1678); offenkundig steht dann die durch die Liebe vollkommene Contritio, die den Menschen schon vor dem Empfang des Bußsakramentes mit Gott versöhnt (D 1677), unter dem Einfluß des einwohnenden Hl. Geistes und der durch ihn eingegossenen göttl. Tugend der Liebe. Nach einer Entscheidung des Hl. Offiziums darf die Meinung, Reue ohne ausdrückl. erweckten Liebesakt genüge zur Erlangung der Gnade im Bußsakrament, ebenso wenig verketzert werden wie die gegenteilige Auffassung (D 2070). Damit wird nicht geleugnet, daß die Reue durch bewußte Pflege des Liebesmotivs vervollkommnet werden kann.

3. Wenn die Bekehrung und ihr Kernelement, die Reue, als Voraussetzung der Sündenvergebung bezeichnet werden, darf dies nicht so aufgefaßt werden, als könne der Mensch unabhängig von Gott diese Voraussetzung schaffen und damit in gewissem Sinn sich selbst erlösen. Zu Reue, Sündenvergebung, Gottverbundenheit kommt der Sünder nur, weil Gott sich ihm schenken will und ihn daher in Gnade ergreift (vgl. Phil 3,12; Joh 6,44; 14,6; Apg 11,18; Offb 2,21); Einwohnung des Hl. Geistes, Eingießung der göttl. Liebe, durch die Liebe vollkommene Reue sind verschiedene Aspekte des Ergriffenseins des Menschen durch Gott. „Und ich werde ihnen ein einziges Herz geben und einen neuen Geist in ihr Inneres legen“ (Ez 11,19; vgl. 36,26 f). „Kehre uns zu dir, Jahwe, auf daß auch wir uns wende n“ (Klgl 5,21; vgl. Jer 31,18). Gott läßt es für die Erlangung der Rechtfertigungsgnade auf das freie Wollen des Menschen ankommen (D 1526 1554 1559 1676 1704 1705), ermöglicht aber selbst durch sein Rufen, Anregen und Helfen (D 1526 1554) all die vorbereitenden Akte des Glaubens, der heilsamen Furcht, des Hoffens und des anfangenden Liebens, die schließl. zur Rechtfertigung führen.

4. Eine Auswirkung echter Bekehrung ist die Tugend der Buße, die haltungsmäßige Bereitschaft, die Sünde im eigenen Leben immer vollkommener zu überwinden und zu sühnen. Im weiteren Sinn kann auch jener Buße tun, der selbst nicht gesündigt hat, näml. am Sühneleiden des Erlösers für die Sünden der Welt teilnehmen, auf jeden Fall durch Gesinnung und Gebet der Sühne, wie sie von der Liebe angeregt werden, gegebenenfalls auch durch tatsächl. Leiden.

5. Die Bekehrung des Ungetauften wird durch die Taufe, die des sündig gewordenen Christen durch das Bußsakrament besiegelt und vollendet.


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