Beschwörung
Karl Hörmann: LChM 1976, Sp. 103-105
1. Unter Beschwörung (adiuratio) wird der Versuch verstanden, jemanden unter Hinweis. auf Gott oder gottverbundene Personen oder hl. Sachen (vgl. mittelbare Gottesverehrung) zu bewegen, etwas zu tun oder zu unterlassen. Trotz gewisser Ähnlichkeit unterscheiden sich Beschwörung und Versprechenseid (vgl. Eid) voneinander: In beiden beruft man sich (mittelbar oder unmittelbar) auf Gott, in der Beschwörung, um andere zu beeinflussen, im Eid, um sich selbst zu etwas zu verpflichten (vgl. Thomas von Aq., S.Th. 2,2 q.90 a.1).
Unter den geziemenden Bedingungen ist die Beschwörung eine (außerordentl.) Betätigung der Gottesverehrung, weil man dadurch seine Überzeugung ausdrückt, Gott komme solches Ansehen zu, daß schon die Erinnerung an ihn den Menschen dazu bewegt, in gottgefälligem Verhalten Gottes Größe aufleuchten zu lassen, und man eben dadurch Gott ehrt.
Allerdings verpflichtet die Beschwörung den Beschworenen nicht zur Leistung des Verlangten, wenn er nicht ohnehin schon dazu verpflichtet ist, sondern unterstreicht nur die Bitte oder den Befehl des Beschwörenden.
2. Sinnvoll richtet sich die Beschwörung nur an vernünftige Wesen, da nur diese durch Hinweis auf Gott zu Entschlüssen veranlaßt werden können. Die Kirche beschwört sogar Gott selbst, wenn sie ihr Bittgebet „durch unseren Herrn Jesus Christus“ an den Vater richtet und sich durch diese Berufung auf die Verdienste des Erlösers für Gottes Gnade bereiter macht (vgl. Thomas von Aq., S.Th. 2,2 q.90 a.1 ad 3). Ferner können die Engel und die Heiligen, aber auch die Menschen auf Erden beschworen werden, und zwar bittend („Ich ermahne euch also, Brüder, bei den Erbarmungen Gottes, daß ihr eure Leiber als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Opfer darbringt“, Röm 12,1) oder befehlend („Ich beschwöre euch beim Herrn, daß der Brief allen Brüdern vorgelesen werde“, 1 Thess 5,27; „Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, daß du uns sagest, ob du der Messias bist, der Sohn Gottes“, Mt 26,63). Den dämonischen Mächten gegenüber hat nur die befehlende Beschwörung (Exorzismus) einen Sinn („In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben“, Mk 16,17; vgl. Thomas von Aq., S.Th. 2,2 q.90 a.2).
Die Beschwörung vernunftloser Geschöpfe (z.B. von Salz und Wasser bisher bei Taufe und Wasserweihe) kann sinnvoll nur an personale Mächte hinter ihnen (Gott, Dämonen) gerichtet werden (vgl. Thomas von Aq., a.a.O., a.3).
3. Sittl. gut ist die Beschwörung, wenn sie nach allen konkreten Gegebenheiten mit der sittl. Ordnung übereinstimmt. Im besonderen muß die Leistung des Verlangten durch den Beschworenen sittl. zulässig sein. Ferner darf sich der Beschwörende nicht unlauterer Mittel bedienen, etwa betrügerisch vorgehen, oder den Beschworenen, der nicht anderweitig schon zur verlangten Leistung verpflichtet ist, durch die Beschwörung dazu zwingen wollen (vgl. Manipulation). Schließl. verträgt es sich nicht mit der Ehrfurcht vor der Größe Gottes, die Beschwörung um unwichtiger Dinge willen anzuwenden. Gegenüber dämonischen Einflüssen erscheint nur die abwehrende Beschwörung als zulässig. Sie in Form eines feierlichen Exorzismus zu üben, ist nur mit besonderer und ausdrückl. Erlaubnis des Ortsordinarius gestattet (CICc. 1151 § 1).