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Gelübde

Karl Hörmann: LChM 1976, Sp. 579-587

2. Mit der Verwirklichung sittl. Werte, letztl. der Liebe, trägt der Mensch zum volleren Aufleuchten der Herrlichkeit Gottes bei. Durch die Ausrichtung darauf hin wird das Gelübde zur Betätigung der Gottesverehrung. Das kann es natürl. nur sein, wenn sich der Mensch dadurch wirkl. an Gott hingeben, nicht aber, wenn er über Gott verfügen oder durch Leistung etwas von Gott erkaufen will.

Von der Hl. Schrift wird das Gelübde als gutes Tun aufgezeigt: „Weiht Gelübde Jahwe, eurem Gott, und löset sie ein“, Ps 75 [76],12; vgl. Ps 60 [61],6; Nah 2,1). Als Muster kann das Gelübde gelten, durch das Jakob seine Bitte unterstreicht und sich zum Dank bereit erklärt, da er für den Fall guten Geleites Gott die Errichtung eines Heiligtums und die Entrichtung des Zehents verspricht (Gen 28,20–22). Paulus macht, vermutl. aus Dankbarkeit für den guten Erfolg der korinthischen Mission, ein Gelübde (Apg 18,8) und beteiligt sich später an einem Nasiräer-Gelübde (Apg 21,23 f.26).

Die christl. Tradition steht dem Gelübde freundl. gegenüber. „Jeder gelobe und leiste, was er kann. Gelobet nicht, ohne es zu leisten; jeder gelobe vielmehr und leiste, was er kann. Seid nicht faul zu geloben; ihr werdet es nämlich nicht mit euren Kräften erfüllen“ (Augustinus, In Ps 75 en. 16; vgl. In Ps 131 en. 1; Ambrosius, De off. III 12,76–81; PL 36,967; 37,1717; 16,176 ff). Im besonderen zeigt die Geschichte der Verwirklichung der evon Räte im Ordensleben die Hochschätzung der Gelübde

Die Kirche hat den Wert des Gelübdes gegenüber den Reformatoren (Luther, Von der Freiheit eines Christenmenschen; Calvin, Inst. IV 13) mit aller Entschiedenheit verteidigt (Konz. von Trient, D 1622; vgl. D 2203 2265). Heute ist das Gelübde in evon Ordensgemeinschaften wieder zu Ehren gekommen.

Selbstverständl. kann Gott durch ein Gelübde des Menschen ebensowenig gewinnen wie durch sonstige Übungen der Gottesverehrung. Der Mensch aber wird durch das Gelübde fester an den sittl. Wert und in ihm an Gott gebunden (vgl. Thomas von Aq., S.Th. 2,2 q.88 a.4). Von dieser Bindung sagt Augustinus: „Selig die Notwendigkeit, die zum Besseren antreibt“ (Ep. 127,8; PL 33,487). „Was geleistet wird, bringt dem Leistenden einen Zuwachs“ (Ep. 127,6; PL 33,486).

3. Jedes richtige Gelübde verpflichtet wie sonst ein gültiges Versprechen den Gelobenden zur Erfüllung (Treue), freil. mit der eigenen Note der Verehrung Gottes, dem der Gelobende sich ja in besonderer Weise hingeben will (vgl. Thomas von Aq., S.Th. 2,2 q.88 a.3; CICc. 1307 § 1). „Wenn du Jahwe, deinem Gotte, ein Gelübde machst, so säume nicht, es zu erfüllen. Denn Jahwe, dein Gott, würde es streng von dir fordern, und Schuld würde an dir haften“ (Dtn 23, 22; vgl. 23,24; Num 30,3–5.7 f.10–12; Koh 5,3 f). Auch die Tradition betont diese Pflicht (vgl. Augustinus, De coniug. ad. I 30; PL 40,468).

Das Gelübde bindet an sich nur den Gelobenden (CICc. 1310 § 1). Niemand kann ja in einer Sache, die der Freiheit des Menschen überlassen ist, für einen anderen eine Verpflichtung eingehen. Wenn das Gelübde jedoch eine Sachleistung betrifft, könnte nach der Absicht des Gelobenden die Verpflichtung dazu auf Personen übergehen, die von ihm Sachwerte übernehmen (vgl. CICc. 1310 § 2).

Aus verschiedenen Gründen kann die Notwendigkeit eintreten, nach dem genauen Ausmaß der Verpflichtung eines Gelübdes zu fragen. Da die Verpflichtung in der Absicht des Gelobenden ihren Ursprung hat, ist diese Absicht die erste Richtschnur der Interpretation. Weitere Hilfen können die Besinnung auf das Wesen des Gelübdes, die Gewohnheit der Kirche, die allg. Gewohnheit sein.

So bindet ein unter einer Bedingung gemachtes Gelübde gemäß dem Willen des Gelobenden nur nach Eintritt der Bedingung (vgl. Gen 28,21 f).

Wenn der Gelobende einen Zeitpunkt für die Erfüllung festgesetzt hat, ist er zu dieser Zeit dazu verpflichtet. Sonst soll er trachten, das Gelobte zu leisten, sobald es ohne größere Schwierigkeit geschehen kann (vgl. Thomas von Aq., S.Th. 2,2 q.88 a.3 ad 3). Im Fall der verschuldeten oder unverschuldeten Nichterfüllung zum festgesetzten Zeitpunkt erlischt jede weitere Verpflichtung, wenn der Gelobende sich ausdrückl. nur für den Zeitpunkt verpflichten wollte (ad finiendam obligationem), nicht aber, wenn er mit dem Zeitpunkt nicht eine Grenze der Verpflichtung setzen wollte (ad urgendam obligationem; vgl. CICc. 1311). Der sittl. Ernst verbietet es, die Erfüllung eines Gelübdes solange hinauszuschieben, bis sie unmögl. wird oder an Wert verliert.

4. Verpflichten kann nur ein gültiges Gelübde Die Gültigkeit hängt von verschiedenen Voraussetzungen auf seiten des Gelobenden und auf seiten des gelobten Tuns ab.

a) Der Gelobende muß wissen, was er gelobt, und die Absicht haben, es zu geloben (vgl. Thomas von Aq., S.Th. q.88 a.1).

Die genügende Kenntnis (deliberatio) des Gegenstandes des Gelübdes ist notwendig, da sich niemand vernünftigerweise zu einer Sache verpflichten kann, die er nicht kennt. Gelübde, deren Gegenstand nach seiner Tragweite nicht erfaßt werden kann (im Kindesalter, in halber Benommenheit, in Unwissenheit), verpflichten nicht. Die Kirche erklärt die Ablegung von zeitl. Ordens-Gelübden vor Vollendung des 16. Lebensjahres, von ewigen vor Vollendung des 21. Lebensjahres für ungültig (CICc. 573; vgl. Thomas von Aq., S.Th. 2,2 q.88 a.9). Ein Gelübde, bei dem aus guten Gründen im nachhinein bezweifelt wird, ob es genügend überlegt war, ist als ungültig zu betrachten. – Zum Gelübde erforderl. und ausreichend ist die Kenntnis der Sache dem Wesen nach, wenn auch einzelne Nebenumstände nicht erfaßt werden. Ein Irrtum macht das Gelübde ungültig, wenn er das Wesen der Sache oder einen wesentl. Umstand (z.B. den einzigen Hauptzweck) betrifft (bei richtiger Erkenntnis hätte der Gelobende das Gelübde nicht gemacht).

Auch bei genügender Kenntnis des Gegenstandes kann ein Gelübde nur dann eine Verpflichtung schaffen, wenn der Gelobende die Absicht (intentio) hat, wirklich ein verpflichtendes Gelübde abzulegen. Er kann diese Absicht nicht haben, wenn ihm die Fähigkeit der freien Entscheidung fehlt. Schwere Furcht z.B. könnte diese Fähigkeit nehmen; ein in solcher Unfähigkeit abgelegtes Gelübde wäre ungültig. Darüber hinaus behandelt die Kirche jedes Gelübde als ungültig, das dem Gelobenden von einem anderen durch ungerechte Erregung schwerer Furcht abgenötigt wurde (CICc. 1307 § 3); dabei fehlt es ja an der wahren Absicht des Gelobens.

b) Ein Gelübde ist nur dann gültig, wenn sein Gegenstand (das gelobte Tun) mögl. und sittl. gut ist und nicht etwas Besseres verhindert („de bono possibili et meliore“, CICc. 1307 § 1).

Das Erfordernis der Möglichkeit ergibt sich daraus, daß das Versprechen einer unmögl. Sache ein Unsinn ist, auf dem nicht eine Verpflichtung aufbauen kann. Dies leuchtet für das physisch Unmögliche ein, d.h. für das, was überhaupt nicht geschehen kann; aber auch für das moralisch Unmögliche, d.h. für das, was nur unter großen Schwierigkeiten geschehen kann, muß man es anerkennen, weil in den meisten Fällen der Gelobende dadurch übermäßig belastet würde, außer er wollte sich ausdrückl. gerade zu dieser schwierigen Leistung verpflichten. Wenn sich das gelobte Tun teils als mögl., teils als unmögl. herausstellt, hängt die Verpflichtung auf das Mögliche davon ab, ob dieses einen Sinn hat und ob sich der Gelobende auf das Mögliche verpflichten wollte (vgl. Thomas von Aq., S.Th. 2,2 q.88 a.3 ad 2).

Selbstverständl. muß der Gegenstand des Gelübdes sittl. gut sein. Der Mensch kann nur durch ein solches Verhalten Gott ehren, das dem Willen Gottes entspricht und dadurch die Eigenart Gottes, letztl. seine Liebe, aufleuchten läßt (vgl. Thomas von Aq., S.Th. 2,2 q.88 a.2; Augustinus, De coniug. ad. I 30; PL 40,468). Ein Gelübde über eine in ihrer konkreten Gestalt sittl. indifferente Sache trägt nichts zur Gottesverehrung bei und ist deshalb als ungültig, ja als leichte Verunehrung Gottes anzusehen. Mehr noch verunehrt der Mensch Gott durch ein Gelübde über ein seiner Beschaffenheit nach böses Tun oder ein Tun, das von einer bösen Zielsetzung („damit der geplante Diebstahl gelingt“) oder einem bösen Umstand („wenn mir der Diebstahl gelingt“) beherrscht wird. Im AT wird z.B. die Erfüllung eines Gelübdes mit Geld, das durch Unzucht erworben wurde, abgelehnt (Dtn 23,19). Jesus wendet sich gegen Gelübde, durch die man sich natürlicher Pflichten wie der Sorge für Vater und Mutter entledigen will (Mk 7,9–13).

Schließl. trägt der Gegenstand des Gelübdes nur dann zu einer besonderen Ehrung Gottes, d.h. zu einem helleren Aufleuchten seiner Eigenart, bei, wenn er nicht etwas Besseres verhindert. Man ist nicht verpflichtet, ein Gelübde zu machen („Wenn du näml. davon absiehst, etwas zu geloben, haftet an dir keine Schuld“, Dtn 23,23; vgl. Koh 5,4). Wenn man jedoch ein Gelübde macht, soll es sinnvoll sein, d.h. einen höheren Wert zum Inhalt haben. „Gut“ und „Besser“ sind dabei nach den konkreten Gegebenheiten des Gelobenden (Situation) zu bestimmen. Eine ohnehin gebotene Sache kann auch durch ein Gelübde versprochen werden (vgl. die Tauf-Gelübde), da sie nicht etwas Besseres verhindert, sondern dafür die unentbehrl. Grundlage schafft; ein solches Gelübde hätte den Sinn, das gebotene Verhalten ausdrückl. in die Gottesverehrung einzubeziehen und die Bereitschaft zu ihr zu bestärken. Das eigentl. Gebiet des Gelübdes machen aber die „Werke der Übergebühr“ aus, die über das allg. zum Heil Notwendige hinausgehen (Räte; vgl. Thomas von Aq., S.Th. 2,2 q.88 a.2).

5. Die Verpflichtung eines Gelübdes kann aus verschiedenen Gründen aufhören.

a) Sie erlischt einfach (vgl. CICc. 1311) 1. durch Ablauf der vorgesehenen Zeit, 2. durch wesentl. Änderung der Umstände, die bewirkt, daß die gelobte Sache physisch oder moralisch unmöglich oder sittl. unerlaubt wird oder etwas Besseres verhindert, 3. durch Wegfall einer Bedingung, von der das Gelübde abhängig gemacht wurde, 4. durch Wegfall des einzigen oder des Hauptzweckes, um dessen willen das Gelübde gemacht wurde.

b) Wenn der Gelobende beim Geloben irgendwie von einem anderen abhängig ist, kann dieser sein Gelübde aufheben (Irritation). Die Abhängigkeit kann die Person des Gelobenden oder die gelobte Sache betreffen (vgl. Thomas von Aq., S.Th. 2,2 q.88 a.8).

Soweit Menschen das Recht haben, über die Lebensgestaltung anderer zu entscheiden, können sie gegen deren Gelübde Einspruch erheben und sie so schlechthin aufheben (direkte Irritation; vgl. CICc. 1312 § 1). Solches Entscheidungsrecht hat der Vater (und jeder, der in der Leitungsgewalt an seiner Stelle steht) über seine Kinder, solange sie auf seine umfassende Leitung angewiesen sind (vgl. Num 30,4–6). Je mehr diese aber zu selbständiger Lebensgestaltung fähig werden, umso mehr entwachsen sie auch seiner Befehlsgewalt hinsichtl. ihrer Gelübde Gatten unterstehen einander nicht in dieser Weise (vgl. D 3709), können sich aber mit Recht der Erfüllung unkluger Gelübde ihrer Partner entgegenstellen, durch die das Familienleben beeinträchtigt wird. Ordenspersonen haben sich ihren Vorgesetzten so unterstellt, daß sie nur mit deren Zustimmung Gelübde machen können und vor der Profeß gemachte Gelübde auf die Dauer der Ordenszugehörigkeit von den Oberen außer Kraft gesetzt werden können; ausgenommen sind die wesentl. Ordens-Gelübde selbst, die damit verbundenen Gelübde und das Gelübde, in einen strengeren Orden überzutreten (vgl. CICc. 1315). Die Ausführung eines Gelübdes über eine Sache, die einem anderen untersteht, kann dieser andere behindern, solange er in der Ausführung einen Nachteil für sich erblickt (indirekte Irritation; vgl. CICc. 1312 § 2). Schon das AT ließ privatrechtl. Bindungen und Besitzverhältnisse durch Gelübde nicht zerstört werden (vgl. Num 30,7–9.11–16).

c) Kirchl. Obere dispensieren in der Ausübung der Lösegewalt der Kirche aus triftigem Grund von der Bindung durch das Gelübde, näml. in Fällen, in denen sich zeigt, daß wegen besonderer Schwierigkeiten die versprochene Sache für den Menschen, der das Gelübde abgelegt hat, sich nicht als Gegenstand eines verpflichtenden Gelübdes eignet (vgl. Thomas von Aq., S.Th. 2,2 q.88 a.10). Ohne einen solchen Grund würde eine Dispens zu Unrecht erteilt und würde sie einem Dispensierten nicht das Recht geben, sich im Gewissen als von der Verpflichtung frei zu betrachten. Wenn Gelübde zugunsten anderer gemacht wurden und diese die Begünstigung angenommen haben, sind bei etwaiger Dispens auch ihre Interessen zu berücksichtigen.

Bei manchen Gelübden ist wegen ihrer besonderen Bedeutung die Dispens dem Apost. Stuhl vorbehalten (reserviert; CICc. 1308 § 3). Dazu gehören alle öffentl. Gelübde, d.h. alle, die im Namen der Kirche von den zuständigen kirchl. Oberen entgegengenommen werden (c. 1308 § 1), und von den nichtöffentl. (privaten) zwei, wenn sie absolut (ohne Bedingung) und nach Vollendung des 18. Lebensjahres abgelegt werden: das Gelübde der vollkommenen und immerwährenden Keuschheit und das Gelübde, in einen Orden mit feierl. Gelübden einzutreten (c. 1309; kirchenrechtl. werden die Ordens-Gelübde in feierliche und einfache geschieden: das einfache Gelübde macht die entgegenstehende Handlung nur unerlaubt, das feierliche auch ungültig; so liegt in den feierl. Gelübden eine vollkommenere Hingabe an Gott; vgl. CICc. 579; c. 1308 § 2; Thomas von Aq., S.Th. 2,2 q.88 a.7 ad 1). Die Ortsordinarien können von reservierten Gelübden nur bei dringender Notwendigkeit dispensieren, wenn Gefahr schweren Schadens im Verzug ist und der Papst nicht gleich angegangen werden kann (c. 81).

Von den nichtreservierten Gelübden können außer dem Papst der Ortsordinarius seine Untergebenen und die auf seinem Gebiet lebenden Fremden und der höhere Obere eines von der bischöfl. Leitungsgewalt ausgenommenen (exemten) Ordens kraft päpstlicher Bevollmächtigung seine Untergebenen dispensieren (c. 1313 nn. 1.2).

Die vom Apost. Stuhl Bevollmächtigten sind zum Dispensieren nach dem Umfang ihrer Vollmacht befugt (c. 1313 n. 3).

d) Schließl. kann die Verpflichtung eines Gelübdes dadurch aufhören, daß ein anderes an seine Stelle gesetzt wird (Tausch).

Zum Tauschen ist bei nichtreservierten Gelübden der Gelobende selbst berechtigt, falls er an die Stelle des versprochenen Tuns ein (hinsichtl. der Förderung seiner Hingabe an Gottes Ehre) gleichwertiges oder besseres setzen will. Eine Ausnahme bilden nur die Gelübde zugunsten anderer Personen, die angenommen haben, da bei ihnen deren Zustimmung eingeholt werden muß. Die Vertauschung gegen etwas Gleichwertiges soll nicht ohne vernünftigen Grund geschehen, während der Übergang zum Besseren in sich genügender Rechtfertigungsgrund ist. Beim Tausch gegen eine geringere Sache wird ein Teil der Verpflichtung aufgehoben; daher ist dazu jener befugt, der Dispensgewalt hat (c. 1314). Reservierte Gelübde können nur durch den Apost. Stuhl vertauscht werden (c. 1308 § 3).


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