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Sittlichkeit

Karl Hörmann: LChM 1976, Sp. 1441-1443

Der Mensch ist sittl. Wesen, d.h. Wesen, das der freien Selbstgestaltung seines Lebens fähig, dabei aber an ein auferlegtes Sollen gebunden ist. „Gott wollte näml. den Menschen, in der Hand seines Entschlusses lassen“ (vgl. Sir 15,14), sodaß er seinen Schöpfer aus eigenem Entscheid suche und frei zur vollen und seligen Vollendung in Einheit mit Gott gelange. Die Würde des Menschen verlangt daher, daß er in bewußter und freier Wahl handle, d.h. personal, von innen her bewegt und geführt und nicht unter blindem innerem Drang oder unter bloß äußerem Zwang“ (2. Vat. Konz., GS 17).

1. Sittlich (abgeleitet von Sitte im Sinn von verpflichtender Norm) nennt man das aus freier Entscheidung hervorgehende Verhalten des Menschen im Hinblick auf sein Sollen. Sittlichkeit kann rein formal als das Hervorgehen eines Verhaltens aus der freien Entscheidung des Menschen bestimmt werden.

a) Für die Sittlichkeit kommt es also wesentl. auf das innere Wollen des Menschen an. In einer nicht in allem zu billigenden Situationsethik mag als berechtigter Kern die Sorge um die Innerlichkeit des sittl. Geschehens, das vor Veräußerlichung und Mechanisierung geschützt werden soll, stecken. Schon längst vorher wurde die Verankerung des Sittlichen im lnneren des Menschen erkannt. Nach Isaias tadelt Gott eine Verehrung, die ihm bloß mit den Lippen ohne Anteilnahme des Herzens erwiesen wird (Jes 29,13 f; vgl. Mt 15,7–9). Thomas von Aq. sagt ausdrückl., der Bereich des Sittlichen decke sich mit dem Herrschaftsbereich des Willens (Ibi incipit genus morum, ubi primo dominium voluntatis invenitur“, Sent. 2 d.24 q.3 a.2; vgl. d.40 q.1 a.1); er setzt den sittl. mit dem menschl. (d.h. aus dem überlegten Wollen hervorgehenden) Akt gleich (S.Th. 1,2 q.1 a.3); bezeichnenderweise befaßt er sich daher vor der Erörterung der sittl. Qualität des Aktes (q. 18) mit dem menschl. Akt (qq. 6–17).

Im eigentl. Sinn können sittl. nur die aus dem freien Willen selbst hervorgehenden Willensakte (actus eliciti) genannt werden (z.B. die Entscheidung für einen Krankenbesuch). Wenn man die Akte anderer menschl. Fähigkeiten, die der Wille befiehlt und leitet (actus imperati, etwa das gesamte Handeln, das zur Ausführung eines Krankenbesuches gehört), sittl. nennt, ist das eine Verwendung des Wortes in analogem Sinn. Wenn man schließl. Dinge, die zu den sittl. Akten in Beziehung stehen, als sittl. bezeichnet (z.B. das „sittl. Gesetz), verwendet man den Ausdruck überhaupt in uneigentl. Sinn.

b) Sittlichkeit kann nur Wesen zukommen, die der freien Entscheidung fähig sind. Auch beim Menschenist nicht jegl. Verhalten sittl. zu nennen, sondern nur jenes, das von seiner freien Entscheidung bestimmt wird. Alles, was nicht in den Bereich der freien Entscheidung fällt, ist nicht sittl. (un-sittl., sittl. indifferent).

Der Ausdruck unsittl. wird freil. in verschiedenem Sinn verwendet: Er kann ein Tun bezeichnen, das keinen sittl. Charakter hat (nicht sittl.); häufig meint man aber damit etwas sittl. Böses (manchmal noch dazu mit nicht empfehlenswerter Einschränkung auf den geschlechtl. Bereich).

Ebenso kann sittl. indifferent mehrerlei heißen: ein Tun ohne sittl. Charakter (nicht sittl.) oder ein Tun, dessen sittl. Qualität man nicht bestimmen kann, weil man noch zu wenig darüber weiß (ein Element, das in der Analyse des konkreten sittl. Aktes von den übrigen Elementen abgehoben und in abstrakter Schau für sich allein beurteilt wird; damit aus diesem „vormoralischen“ Urteil ein „moralisches“ werden kann, müssen die anderen Elemente mitbeachtet werden).

2. Sittl. ist somit ein Verhalten des Menschen, für das sich der Mensch selbst entscheidet (Menschl. Akt); ein Verhalten, das seiner Freiheit entspringt. Was zur sittl. Qualifizierung dieses Verhaltens beiträgt, stellt die Analyse des sittl. Aktes fest.


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