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Apostolisches Schreiben
Redemptoris Custos
über Gestalt und Sendung des heiligen Josef im Leben Christi und der Kirche (15. August 1989)

Johannes Paul II.

Hinweis/Quelle: Zur lateinischen Fassung

An die Bischöfe
An die Priester und Diakone
An die Ordensleute
An alle Christgläubigen

 

Verehrte Mitbrüder,
geliebte Söhne und Töchter,
Gruß und Apostolischen Segen!

Einleitung

1. Zum Beschützer des Erlösers berufen, „tat Josef, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich“ (Mt 1,24).

In Anlehnung an das Evangelium haben schon die Kirchenväter der ersten Jahrhunderte hervorgehoben, daß der hl. Josef so, wie er für Maria liebevoll Sorge trug und sich voll Freude und Eifer der Erziehung Jesu Christi widmete,[1] seinen mystischen Leib, die Kirche, deren Gestalt und Vorbild die heilige Jungfrau ist, behütet und beschützt.

Zum Hundertjahrjubiläum der Veröffentlichung der Enzyklika Quamquam pluries Papst Leos XIII.[2] und in der Spur der jahrhundertealten Verehrung des hl. Josef möchte ich euch, liebe Brüder und Schwestern, einige Betrachtungen über den Mann vorlegen, dem Gott „den Schutz seiner kostbarsten Schätze anvertraut hat“.[3] Ich komme dieser pastoralen Pflicht mit Freude nach, damit die Verehrung für den Schutzpatron der Gesamtkirche und die Liebe zum Erlöser, dem er in vorbildlicher Weise gedient hat, in allen wachse.

So wird das ganze christliche Volk den hl. Josef nicht nur eifriger anrufen und vertrauensvoll um seinen Schutz und Beistand bitten, sondern stets die demütige, reife Art seines Dienstes und seiner „Mitwirkung“ am Heilsplan vor Augen haben.[4]

Ich glaube nämlich, das neuerliche Nachdenken über die Teilnahme des Gemahls Mariens am göttlichen Geheimnis wird es der Kirche, die zusammen mit der ganzen Menschheit auf dem Weg in die Zukunft ist, gestatten, ständig ihre eigene Identität im Rahmen des Erlösungsplanes wiederzuentdecken, der seine Grundlagen im Geheimnis der Menschwerdung hat.

Eben an diesem Geheimnis „hatte“ Josef von Nazaret „teil“ wie kein anderes menschliches Geschöpf, ausgenommen Maria, die Mutter des menschgewordenen Wortes. Er hatte zusammen mit ihr daran teil, weil er in das tatsächliche Heilsgeschehen einbezogen worden war, und wurde zum Hüter derselben Liebe, durch deren Macht der ewige Vater „uns im voraus dazu bestimmt (hat), seine Söhne zu werden durch Jesus Christus“ (Eph 1,5).

I. Die Darstellung des hl. Josef im Evangelium

Die Ehe mit Maria

2. „Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen“ (Mt 1,20–21).

Diese Worte enthalten den zentralen Kern der biblischen Wahrheit über den hl. Josef, den Augenblick seines Daseins, auf den im besonderen die Kirchenväter Bezug nehmen.

Der Evangelist Matthäus erläutert die Bedeutung dieses Augenblicks, indem er auch beschreibt, wie ihn Josef erlebt hat. Um jedoch den Inhalt und Zusammenhang seiner Aussage ganz zu verstehen, muß man sich die Parallelstelle des Lukasevangeliums vergegenwärtigen. Denn im Verhältnnis zu dem Vers, wo es heißt: „Mit der Geburt Jesu Christi war es so: Maria, seine Mutter, war mit Josef verlobt; noch bevor sie zusammengekommen waren, zeigte es sich, daß sie ein Kind erwartete – durch das Wirken des Heiligen Geist es“ (Mt 1,18), findet die Herkunft der Schwangerschaft Mariens „durch das Wirken des Heiligen Geistes“ eine ausführlichere und genauere Beschreibung in dem, was wir bei Lukas über die Verkündigung der Geburt Jesu lesen: „Der Engel Gabriel wurde von Gott in eine Stadt in Galiläa namens Nazaret zu einer Jungfrau gesandt. Sie war mit einem Mann namens Josef verlobt, der aus dem Haus David stammte. Der Name der Jungfrau war Maria“ (Lk 1,26–27). Die Worte des Engels: „Sei gegrüßt, du Gnadenvolle, der Herr ist mit dir“ (Lk 1,28), lösten in Maria eine tiefe Beunruhigung aus und hielten sie zugleich zum Nachdenken an. Da beruhigte der Bote die Jungfrau und offenbarte ihr Gottes besonderen Plan in bezug auf sie: „Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden. Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären; dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben“ (Lk 1,30–32).

Wenige Verse vorher hatte der Evangelist gesagt, daß Maria bei der Verkündigung „mit einem Mann namens Josef verlobt war, der aus dem Haus David stammte“. Das Wesen dieser „Vermählung“ wird indirekt erklärt, als Maria, nachdem sie die Worte des himmlischen Boten bezüglich der Geburt des Sohnes gehört hat, fragt: „Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?“ (Lk 1,34). Darauf erhält sie folgende Antwort: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden“ (Lk 1,35). Maria wird, auch wenn sie schon mit Josef „verheiratet“ ist, Jungfrau bleiben, weil das schon bei der Verkündigung in ihr empfangene Kind durch das Wirken des Heiligen Geistes empfangen worden war.

In diesem Punkt stimmt auch der Text des Lukas mit jenem von Mt 1,18 überein und kann uns zur Erklärung dessen dienen, was wir dort lesen. Wenn sich nach der Vermählung Mariens mit Josef „zeigte, daß sie ein Kind erwartete durch das Wirken des Heiligen Geistes“, so entspricht diese Aussage durchaus dem Inhalt der Verkündigung und insbesondere den abschließend von Maria gesprochenen Worten: „Mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38). Nachdem Maria auf den klaren Plan Gottes geantwortet hat, wird in den folgenden Tagen und Wochen vor den Leuten und vor Josef offenkundig, daß sie „ein Kind erwartet“, daß sie gebären soll und das Geheimnis der Mutterschaft in sich trägt.

3. Unter diesen Umständen „beschloß Josef, ihr Mann, der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, sich in aller Stille von ihr zu trennen“ (Mt 1,19). Er wußte nicht, wie er sich angesichts der „wunderbaren“ Mutterschaft Mariens verhalten sollte. Er suchte natürlich eine Antwort auf die beunruhigende Frage, vor allem aber suchte er nach einem Ausweg aus der für ihn schwierigen Situation. „Während er noch darüber nachdachte, erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sagte: Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen“ (Mt 1,20–21).

Zwischen der „Verkündigung“ bei Matthäus und jener bei Lukas besteht eine enge Übereinstimmung. Der Bote Gottes weiht Josef in das Geheimnis der Mutterschaft Mariens ein. Sie, die dem Gesetz nach seine „Frau“ ist, auch wenn sie Jungfrau bleibt, ist kraft des Heiligen Geistes Mutter geworden. Und wenn der Sohn, den Maria im Schoß trägt, zur Welt kommt, soll er den Namen Jesus erhalten. Das war ein bei den Israeliten bekannter Name, der ab und zu den Söhnen gegeben wurde. In diesem Fall jedoch handelt es sich um den Sohn, der – entsprechend der göttlichen Verheißung – die Bedeutung dieses Namens voll erfüllen wird: Jesus – Yehošua, was bedeutet: Gott ist Heil.

Der Bote wendet sich an Josef als den „Mann Mariens“, der dem Sohn, der von der mit ihm verlobten Jungfrau aus Nazaret geboren werden wird, dann diesen Namen geben soll. Er wendet sich also an Josef und überträgt ihm für den Sohn Mariens die Aufgaben eines irdischen Vaters.

„Als Josef erwachte, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich“ (Mt 1,24). Er nahm sie zu sich mit dem ganzen Geheimnis ihrer Mutterschaft, er nahm sie zu sich zusammen mit dem Sohn, der durch das Wirken des Heiligen Geistes zur Welt kommen würde: damit bewies er in bezug auf das, was Gott ihm durch seinen Boten aufgetragen hatte, eine willige Verfügbarkeit, die jener Mariens ähnlich ist.

II. Der Hüter des Geheimnisses Gottes

4. Als sich Maria kurz nach der Verkündigung in das Haus des Zacharias begab, um ihre Verwandte Elisabet zu besuchen, vernahm sie bei der Begrüßung die Worte, die Elisabet, „vom Heiligen Geist erfüllt“, sprach (vgl. Lk 1,41). Nach den Worten, die sich mit dem Gruß des Engels bei der Verkündigung verbanden, sagte Elisabet: „Selig ist die, die geglaubt hat, daß sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ“ (Lk 1,45). Diese Worte waren der Leitgedanke der Enzyklika Redemptoris Mater, mit welcher ich die Lehre des II. Vatikanischen Konzils vertiefen wollte, die besagt: „Die selige Jungfrau ging den Pilgerweg des Glaubens. Ihre Vereinigung mit dem Sohn hielt sie in Treue bis zum Kreuz“[5] und ist damit allen „vorangegangen“,[6] die aufgrund des Glaubens Christus folgen.

Am Anfang dieses Pilgerweges trifft sich der Glaube Mariens mit dem Glauben Josefs. Wenn darum Elisabet von der Mutter des Erlösers sagte: „Selig ist die, die geglaubt hat“, so kann man gewissermaßen dieses Seligsein auch auf Josef beziehen, weil er positiv auf das Wort Gottes antwortete, als es ihm in jenem entscheidenden Augenblick überbracht wurde. Um genau zu sein: Josef antwortete auf die „Verkündigung“ des Engels nicht wie Maria, sondern „er tat, was der Herr ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich“. Was er getan hat, ist reinster „Gehorsam des Glaubens“ (vgl. Röm 1,5; 16,26; 2 Kor 10,5–6).

Man kann darum sagen: Das, was Josef getan hat, verband ihn in ganz besonderer Weise mit dem Glauben Mariens; er nahm als von Gott kommende Wahrheit an, was sie bereits bei der Verkündigung angenommen hatte. Das Konzil lehrt: „Dem offenbarenden Gott ist der ‚Gehorsam des Glaubens’ zu leisten. Darin überantwortet sich der Mensch Gott als ganzer in Freiheit, indem er sich ‚dem offenbarenden Gott mit Verstand und Willen voll unterwirft’ und seiner Offenbarung willig zustimmt“.[7] Der eben zitierte Satz, der das innerste Wesen des Glaubens berührt, trifft voll und ganz auf Josef von Nazaret zu.

5. Er wurde daher der Vermittler und Hüter des einzigartigen Geheimnisses, das „von Ewigkeit her in Gott verborgen war“ (vgl. Eph 3,9), so wie es Maria in jenem entscheidenden Augenblick wurde, den der Apostel die „Fülle der Zeit“ nennt, als nämlich „Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau, sandte, damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen“ (vgl. Gal 4,4–5). „Gott hat – so lehrt das Konzil – in seiner Güte und Weisheit beschlossen, sich selbst zu offenbaren und das Geheimnis seines Willens kundzutun (vgl. Eph 1,9): daß die Menschen durch Christus, das fleischgewordene Wort, im Heiligen Geist Zugang zum Vater haben und teilhaftig werden der göttlichen Natur (vgl. Eph 2,18; 2 Petr 1,4)“.[8]

Der erste Hüter dieses göttlichen Geheimnisses ist Josef, zusammen mit Maria. Zusammen mit Maria – und auch in Beziehung zu Maria – hat er, und zwar von allem Anfang an, teil an diesem entscheidenden Ereignis der Selbstoffenbarung Gottes in Christus. Wenn wir nun die Berichte beider Evangelisten, Matthäus und Lukas, vor Augen haben, können wir auch sagen, daß Josef der erste ist, der am Glauben der Gottesmutter teilhat, und daß er dadurch seine Frau im Glauben an die göttliche Verkündigung unterstützt. Er ist es auch, der von Gott als erster auf den „Pilgerweg des Glaubens“ gestellt wurde, auf dem Maria – vor allem seit Golgota und Pfingsten – in vollkommener Weise „vorangegangen ist“.[9]

6. Josefs eigener Weg, sein Pilgerweg des Glaubens wird früher enden, das heißt: noch bevor Maria am Fuße des Kreuzes auf Golgota steht und bevor sie – nachdem Christus zum Vater zurückgekehrt ist – an Pfingsten im Abendmahlssaal zugegen ist, an dem Tag, wo die aus der Kraft des Geistes der Wahrheit geborene Kirche vor der Welt offenbar gemacht wird. Doch der Glaubensweg Josefs schlägt dieselbe Richtung ein, er bleibt vollständig von demselben Geheimnis bestimmt, dessen erster Hüter er zusammen mit Maria geworden war. Menschwerdung und Erlösung bilden eine organische und unauflösliche Einheit, in der „sich das Offenbarungsgeschehen in Tat und Wort ereignet, die innerlich miteinander verknüpft sind.“[10] Wegen dieser Einheit verfügte Papst Johannes XXIII., der eine große Verehrung für den hl. Josef hegte, daß in den römischen Meßkanon als dem ewigen Erinnerungsbuch der Erlösung der Name des hl. Josef neben dem Mariens und vor den Namen der Apostel, der Päpste und der Märtyrer aufgenommen werde.[11]

Der Dienst der Vaterschaft

7. Wie man aus der Heiligen Schrift ableitet, bildet die Ehe mit Maria die Rechtsgrundlage der Vaterschaft Josefs. Um Josefs väterlichen Schutz für Jesus sicherzustellen, hat Gott ihn als Mann Mariens auserwählt. Daraus folgt, daß Josefs Vaterschaft – eine Beziehung, die ihn in größtmögliche Nähe zu Christus, dem Ziel jeder Erwählung und Vorherbestimmung (vgl. Röm 8,28 f), stellt – über die Ehe mit Maria, das heißt über die Familie, führt.

Die Evangelisten nennen, auch wenn sie mit aller Klarheit sagen, daß Jesus durch das Wirken des Heiligen Geistes empfangen und daß in jener Ehe die Jungfräulichkeit gewahrt worden ist (vgl. Mt 1,18–25; Lk 1,26–34), Josef den Mann Mariens und Maria die Frau Josefs (vgl. Mt 1,16.18–20.24; Lk 1,27; 2,5).

Und auch für die Kirche ist es, so bedeutsam das Bekenntnis zur jungfräulichen Empfängnis Jesu ist, nicht weniger wichtig, die Ehe Mariens mit Josef zu verteidigen, weil rechtlich von dieser Ehe die Vaterschaft Josefs abhängt. Daraus wird auch verständlich, warum die Geschlechter nach der Ahnenreihe Josefs aufgezählt werden: „Warum – fragt sich der hl. Augustinus – sollte sie es nicht durch Josef sein? War Josef etwa nicht der Gemahl Mariens? (...) Die Schrift bestätigt durch die Autorität des Engels, daß er der Gemahl war. Fürchte dich nicht, sagt er, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Es wird ihm befohlen, dem Kind den Namen zu geben, auch wenn es nicht von ihm gezeugt wurde. Sie wird, heißt es, einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben. Die Schrift weiß, daß Jesus nicht aus dem Samen Josefs geboren wurde, denn als Josef wegen des Ursprungs der Schwangerschaft seiner Frau beunruhigt ist, wird ihm gesagt: sie kommt vom Heiligen Geist. Und dennoch wird ihm die väterliche Autorität nicht abgesprochen, seitdem ihm befohlen wurde, dem Kind den Namen zu geben. Schließlich nennt auch die Jungfrau Maria selbst, die sehr wohl weiß, daß sie Christus nicht durch die eheliche Vereinigung mit ihm empfangen hat, Josef dennoch Vater Christi“.[12]

Kraft des Ehebandes, das Maria und Josef verbindet, ist der Sohn Mariens auch der Sohn Josefs: „Aufgrund jener treuen Ehe verdienten es beide, Eltern Christi genannt zu werden, nicht nur seine Mutter, sondern auch sein Vater, und zwar in derselben Weise, wie er der Gemahl seiner Mutter war, beides in geistiger, nicht in fleischlicher Hinsicht“.[13] In dieser Ehe fehlt keines der für die Begründung einer Ehe konstitutiven Erfordernisse: „Bei den Eltern Christi haben sich alle Güter der Ehe verwirklicht: Nachwuchs, eheliche Treue, Sakramentalität. Wir wissen Bescheid über den Nachwuchs, denn das ist der Herr Jesus selbst; über die Treue, denn es gab keinen Ehebruch; über die Sakramentalität, denn es kam zu keiner Scheidung“.[14]

Sowohl der hl. Augustinus wie der hl. Thomas sprechen, wenn sie die Natur der Ehe analysieren, von dieser stets als der „unteilbaren Einheit der Seelen“, der „Einheit der Herzen“, dem „Einvernehmen“,[15] Elementen, die in jener Ehe in vorbildlicher Weise offenkundig geworden sind. Als im entscheidenden Augenblick der Heilsgeschichte Gott seine Liebe zur Menschheit durch die Gabe des Wortes offenbart, verwirklicht gerade die Ehe von Maria und Josef im Empfangen und Äußern einer solchen Liebe in voller „Freiheit“ die „eheliche Selbsthingabe“.[16] „In diesem großen Unterfangen, alle Dinge in Christus zu erneuern, wird die gleichfalls geläuterte und erneuerte Ehe zu einer neuen Wirklichkeit, zu einem Sakrament des Neuen Bundes. Und so steht wie schon am Anfang des Alten auch an der Schwelle des Neuen Testamentes ein Ehepaar. Während aber Adam und Eva Quelle des Bösen waren, das die Welt überschwemmt hat, stellen Josef und Maria den Höhepunkt dar, von dem aus sich die Heiligkeit über die ganze Erde verbreitet. Der Heiland hat das Werk der Heilsrettung mit diesem jungfräulichen und heiligen Bund begonnen, in dem sich sein allmächtiger Wille offenbart, die Familie, Heiligtum der Liebe und Wiege des Lebens, zu läutern und zu heiligen“.[17]

Wie viele Lehren lassen sich daraus für die Familie heute ableiten! Da „das Wesen und die Aufgaben der Familie letztlich von der Liebe her bestimmt sind“ und „die Familie die Sendung empfängt, die Liebe zu hüten, zu offenbaren und mitzuteilen als lebendigen Widerschein und wirkliche Teilhabe an der Liebe Gottes zu den Menschen und an der Liebe Christi, unseres Herrn, zu seiner Braut, der Kirche“,[18] soll sich die Heilige Familie, diese Ur-“Hauskirche“,[19] in allen christlichen Familien widerspiegeln. Denn „durch den geheimnisvollen Ratschluß Gottes hat in ihr für viele Jahre der Sohn Gottes verborgen gelebt. Sie ist deshalb Urbild und Beispiel für alle christlichen Familien“.[20]

 

8. Der hl. Josef wurde von Gott dazu berufen, durch die Ausübung seiner Vaterschaft unmittelbar der Person und Sendung Jesu zu dienen: auf diese Weise wirkt er in der Fülle der Zeit an dem großen Geheimnis der Erlösung mit und ist tatsächlich „Diener des Heils“.[21] Seine Vaterschaft kommt konkret darin zum Ausdruck, daß er „sein Leben zu einem Dienst, zu einem Opfer an das Geheimnis der Menschwerdung und an den damit verbundenen Erlösungsauftrag gemacht hat; daß er die ihm rechtmäßig zustehende Autorität über die heilige Familie dazu benutzt hat, um sich selbst, sein Leben und seine Arbeit ganz ihr hinzugeben; daß er seine menschliche Berufung zur familiären Liebe in die übermenschliche Darbringung seiner selbst, seines Herzens und aller Fähigkeiten verwandelt hat, in die Liebe, die er in den Dienst des seinem Haus entsprossenen Messias gestellt hat“.[22]

Nachdem die Liturgie erwähnt hat, daß „Josefs aufmerksamer Obhut die Anfänge unserer Erlösung“ anvertraut worden sind,[23] heißt es erläuternd: „Gott hat ihn als treuen und klugen Diener an die Spitze seiner Familie gestellt, damit er als Vater seinen eingeborenen Sohn behüte“.[24] Leo XIII. unterstreicht die Erhabenheit dieses Sendungsauftrags: „Er ragt unter allen hervor in seiner erhabenen Würde, denn durch göttliche Verfügung war er Hüter und in der Meinung der Menschen Vater des Sohnes Gottes. Daraus ergab sich, daß das Wort Gottes dem Josef untergeordnet wurde, ihm gehorchte und ihm jene Ehre und Achtung erwies, die die Kinder ihrem Vater schulden“.[25]

Da nicht anzunehmen ist, daß einer so erhabenen Aufgabe nicht auch die Eigenschaften entsprechen, die für ihre angemessene Erfüllung erforderlich sind, muß man einräumen, daß Josef „durch besondere Eingebung des Himmels für Jesus jene ganz natürliche Liebe, jene ganze liebevolle Sorge empfand, die ein Vaterherz aufzubringen vermag“.[26]

Zugleich mit der väterlichen Macht über Jesus hat Gott Josef auch die entsprechende Liebe mitgeteilt, jene Liebe, die ihre Quelle in dem Vater hat, „nach dessen Namen jedes Geschlecht im Himmel und auf der Erde benannt wird“ (Eph 3,15).

In den Evangelien wird Josefs Aufgabe als Vater gegenüber Jesus klar dargelegt. Das Heil, das über das Menschsein Jesu führt, verwirklicht sich in der Tat in den Haltungen, die unter Beachtung jener „Fügsamkeit“, die dem Plan der Menschwerdung innewohnt, zum Alltag des Familienlebens gehören. Die Evangelisten legen großen Wert darauf zu zeigen, daß im Leben Jesu nichts dem Zufall überlassen war, sondern sich alles nach einem von Gott vorherbestimmten Plan vollzog. Die häufig wiederkehrende Formel: „So geschah es, damit erfüllt würde ...“ und die Beziehung des beschriebenen Geschehens auf einen Text des Alten Testamentes zielen darauf ab, die Einheit und Kontinuität des Planes zu unterstreichen, der in Christus seine Erfüllung erreicht.

Mit der Menschwerdung Gottes werden die „Verheißungen“ und die „Gestalten“ des Alten Testamentes „Wirklichkeit“: Orte, Personen, Ereignisse und Bräuche verflechten sich nach genauen göttlichen Anordnungen, die von dem Engel überbracht und von Geschöpfen, die für die Stimme Gottes besonders empfänglich sind, aufgenommen werden. Maria ist die demütige Magd des Herrn, die von Ewigkeit her auf die Aufgabe, die Mutter Gottes zu sein, vorbereitet wurde; Josef ist der, den Gott dazu auserwählt hat, „die Geburt Jesu zu regeln“,[27] dem aufgetragen ist, für die „geordnete“ Eingliederung des Gottessohnes in die Welt, unter Beachtung der göttlichen Verfügungen und der menschlichen Gesetze, zu sorgen. Das ganze sogenannte „private“ oder „verborgene“ Leben Jesu ist seiner Obhut anvertraut.

Die Volkszählung

9. Als sich Josef in Befolgung der Anordnungen der staatlichen Behörden zur Eintragung in die Einwohnerlisten nach Betlehem begab, erfüllte er in bezug auf das Kind die wichtige und bedeutsame Aufgabe, den Namen „Jesus, Sohn Josefs aus Nazaret“ (vgl. Joh 1,45), offiziell in die Einwohnerliste des Römischen Reiches eintragen zu lassen. Diese Eintragung bezeugt offenkundig Jesu Zugehörigkeit zum Menschengeschlecht, Mensch unter Menschen, Bürger dieser Welt, der den zivilen Gesetzen und Einrichtungen unterworfen ist, aber auch „Retter der Welt“. Origenes beschreibt sehr gut die theologische Bedeutung, die diesem keineswegs nebensächlichen historischen Ereignis zukommt: „Da unter Kaiser Augustus die erste Volkszählung auf dem ganzen Erdkreis stattfand und unter allen anderen sich auch Josef zusammen mit Maria, seiner Frau, die ein Kind erwartete, eintragen ließ, und da Jesus noch vor Abschluß der Volkszählung zur Welt kam, wird jeder, der die Dinge aufmerksam überlegt, den Eindruck haben, die Tatsache, daß bei der behördlichen Einwohnererfassung des ganzen Erdkreises auch Christus eingetragen werden sollte, sei Ausdruck irgendeines Geheimnisses: auf diese Weise konnte er, der mit allen erfaßt war, alle heiligen; er, der mit dem ganzen Erdkreis in die Einwohnerliste eingetragen worden war, bot der Erde die Gemeinschaft mit ihm an, und nach dieser Erfassung schrieb er alle Menschen auf Erden in das Buch der Lebenden ein, womit alle, die an ihn geglaubt haben, darin in den Himmel eingeschrieben werden würden, zusammen mit den Heiligen desjenigen, dem die Ehre und Herrschaft gehört von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen“.[28]

Die Geburt in Betlehem

10. Als Hüter des Geheimnisses, „das von Ewigkeit her in Gott verborgen war“ und das, „als die Zeit erfüllt war“, vor seinen Augen Wirklichkeit zu werden beginnt, ist Josef zusammen mit Maria in der Nacht von Bethlehem privilegierter Zeuge des Kommens des Sohnes Gottes in die Welt. Lukas schreibt: „Als sie dort waren, kam für Maria die Zeit ihrer Niederkunft, und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war“ (Lk 2,6–7).

Josef war Augenzeuge dieser Geburt, die unter menschlich erniedrigenden Umständen erfolgte und damit erste Ankündigung jener „Entäußerung“ (vgl. Phil 2,5–8) war, die Christus um der Vergebung der Sünden willen freiwillig auf sich nahm. Ebenso war Josef Zeuge der Anbetung der Hirten, die am Ort der Geburt Jesu eintrafen, nachdem ihnen der Engel diese große frohe Kunde überbracht hatte (vgl. Lk 2,15–16); später war er auch Zeuge der Huldigung, die die Magier aus dem Osten dem Kind erwiesen. (vgl. Mt 2,11).

Die Beschneidung

11. Da die Beschneidung des Sohnes die erste religiöse Pflicht des Vaters ist, erfüllt Josef mit diesem Ritus (vgl. Lk 2,21) sein Recht und seine Pflicht gegenüber Jesus.

Das Prinzip, nach welchem sämtliche rituellen Bräuche des Alten Testamentes der Schatten der Wirklichkeit sind (vgl. Hebr 9,9 f; 10,1), erklärt, warum Jesus sie annimmt. Wie die anderen Bräuche, so findet auch der Ritus der Beschneidung in Jesus die „Erfüllung“. Der Bund Gottes mit Abraham, dessen Zeichen die Beschneidung war (vgl. Gen 17,13), erreicht in Jesus seine volle Gültigkeit und seine vollkommene Verwirklichung, da Jesus das „Ja“ zu allen früheren Verheißungen ist (vgl. 2 Kor 1,20).

Die Namensgebung

12. Josef gibt dem Kind bei der Beschneidung den Namen Jesus. Allein in diesem Namen ist das Heil zu finden (vgl. Apg 4,12); und dessen Bedeutung war Josef bei „Verkündigung“ seiner eigenen Aufgabe enthüllt worden: „Ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen“ (Mt 1,21). Mit der Namensgebung erklärt Josef seine rechtmäßige Vaterschaft über Jesus, und mit der Nennung des Namens verkündet er Jesu Sendung als Retter.

Die Darstellung Jesu im Tempel

13. Dieser Brauch, von dem Lukas (2,22 f) berichtet, schließt die Weihe und Einlösung des Erstgeborenen ein und erhellt den späteren Aufenthalt des zwölfjährigen Jesus im Tempel.

Die Einlösung des Erstgeborenen ist eine weitere Pflicht des Vaters, die von Josef erfüllt wird. Im Erstgeborenen war das Volk des Alten Bundes verkörpert, das aus der Sklaverei freigekauft worden war, um Gott anzugehören. Auch in dieser Hinsicht „erfüllt“ Jesus, der der wahre „Preis“ der Einlösung ist (vgl. 1 Kor 6,20; 7,23; 1 Petr 1,19), nicht nur den Brauch des Alten Testaments, sondern geht zugleich über ihn hinaus, da er ja nicht ein Freizukaufender, sondern selbst der Urheber der Einlösung ist.

Wie der Evangelist hervorhebt, „staunten der Vater und die Mutter Jesu über die Worte, die über ihn gesagt wurden“ (vgl. Lk 2,33), und besonders über das, was Simon sagte, als er in seinem an Gott gerichteten Hymnus Jesus als das „Heil“ bezeichnete, „das Gott vor allen Völkern bereitet hat, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für sein Volk Israel“, und etwas später auch als „ein Zeichen, dem widersprochen wird“ (vgl. Lk 2,30–34).

Die Flucht nach Ägypten

14. Nach der Darbringung im Tempel schreibt der Evangelist Lukas: „Als seine Eltern alles getan hatten, was das Gesetz des Herrn vorschreibt, kehrten sie nach Galiläa in ihre Stadt Nazaret zurück. Das Kind wuchs heran und wurde kräftig; Gott erfüllte es mit Weisheit, und seine Gnade ruhte auf ihm“ (Lk 2,39–40).

Nach dem Text des Matthäus ist jedoch vor dieser Rückkehr nach Galiläa ein sehr wichtiges Ereignis anzusetzen, für das sich die göttliche Vorsehung wieder des Josef bedient. Wir lesen dort: „Als die Sterndeuter wieder gegangen waren, erschien dem Josef im Traum ein Engel des Herrn und sagte: Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter, und flieh nach Ägypten; dort bleibe, bis ich dir etwas anderes auftrage; denn Herodes wird das Kind suchen, um es zu töten“ (Mt 2,13). Durch das Eintreffen der Sterndeuter aus dem Osten hatte Herodes von der Geburt des „Königs der Juden“ erfahren (Mt 2,2). Und als die Sterndeuter abgezogen waren, „ließ er in Betlehem und der ganzen Umgebung alle Knaben bis zum Alter von zwei Jahren töten“ (Mt 2,16). Dadurch, daß er alle töten ließ, wollte er jenen neugeborenen „König der Juden“ töten, von dem er während des Besuches der Sterndeuter an seinem Hof Kenntnis erhalten hatte. Nachdem Josef im Traum die Warnung vernommen hatte, „stand er in der Nacht auf und floh mit dem Kind und seiner Mutter nach Ägypten. Dort blieb er bis zum Tod des Herodes. Denn es sollte sich erfüllen, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen“ (Mt 2,14–15; vgl. Hos 11,1).

So führte also die Rückkehr Jesu von Betlehem nach Nazaret über Ägypten. Wie Israel den Weg des Auszugs „aus der Sklaverei“ angetreten hatte, um den Alten Bund zu beginnen, so behütet Josef, Hüter und Mitwirkender des Geheimnisses der Vorsehung Gottes, auch in der Verbannung den, der den Neuen Bund verwirklicht.

Jesus im Tempel

15. Seit der Verkündigung befand sich Josef zusammen mit Maria gewissermaßen im Innersten des von Ewigkeit her in Gott verborgenen Geheimnisses, das Menschengestalt angenommen hatte: „Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Joh 1,14). Es wohnte mitten unter den Menschen, und sein Lebensbereich war die heilige Familie von Nazaret – eine der vielen Familien dieses Städtchens in Galiläa, eine der vielen Familien Israels. Dort wuchs Jesus heran und „wurde kräftig; Gott erfüllte ihn mit Weisheit, und seine Gnade ruhte auf ihm“ (Lk 2,40). Die Evangelien fassen in wenigen Worten den langen Zeitraum des „verborgenen“ Lebens zusammen, währenddessen sich Jesus auf seine messianische Sendung vorbereitete. Ein einziger Augenblick entzieht sich dieser „Verborgenheit“ und wird vom Lukasevangelium beschrieben: das Paschafest in Jerusalem, als Jesus zwölf Jahre alt war.

Jesus nahm als junger Pilger mit Maria und Josef an diesem Fest teil. „Nachdem die Festtage zu Ende waren, machten sie sich auf den Heimweg. Der junge Jesus aber blieb in Jerusalem, ohne daß seine Eltern es merkten“ (Lk 2,43). Nach einem Tag bemerkten sie es und begannen, ihn „bei den Verwandten und Bekannten“ zu suchen: „Nach drei Tagen fanden sie ihn im Tempel; er saß mitten unter den Lehrern, hörte ihnen zu und stellte Fragen. Alle, die ihn hörten, waren erstaunt über sein Verständnis und über seine Antworten“ (Lk 2,46–47). Maria fragte: „Kind, wie konntest du uns das antun? Dein Vater und ich haben dich voll Angst gesucht“ (Lk 2,48). Die Antwort Jesu war so, daß die beiden „nicht verstanden, was er damit sagen wollte“. Er hatte gesagt: „Warum habt ihr mich gesucht? Wußtet ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meinem Vater gehört?“ (Lk 2,49–50).

Diese Antwort hörte Josef, den Maria soeben mit dem Wort „dein Vater“ bezeichnet hatte. Tatsächlich redeten und dachten alle so: „Man hielt Jesus für den Sohn Josefs“ (Lk 3,23). Nichtsdestoweniger sollte die Antwort Jesu im Tempel dem „mutmaßlichen Vater“ wieder ins Bewußtsein zurückrufen, was er eines Nachts vor zwölf Jahren vernommen hatte: „Josef, ... fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist“. Bereits seit damals wußte er, daß er Hüter des Geheimnisses Gottes war, und der zwölfjährige Jesus rief ihm genau dieses Geheimnis ins Gedächtnis zurück: „Ich muß in dem sein, was meinem Vater gehört“.

Aufziehen und Erziehung des Jesus von Nazaret

16. Jesus wuchs heran und nahm zu „an Weisheit, Alter und Gnade“ (vgl. Lk 2,52) im Kreis der heiligen Familie, unter den Augen Josefs, der die hohe Aufgabe hatte, Jesus „aufzuziehen“, das heißt ihn zu ernähren, zu kleiden und im Gesetz und in einem Handwerk zu unterweisen, wie es den Pflichten, die dem Vater aufgetragen sind, entspricht.

Im eucharistischen Opfer ehrt die Kirche „zunächst das Gedächtnis der seligen immerwährenden Jungfrau Maria, aber auch des heiligen Josef“,[29] weil „er den ernährt hat, den die Gläubigen als Brot des ewigen Lebens essen sollten“.[30]

Jesus seinerseits „war ihnen gehorsam“ (Lk 2,51), indem er die aufmerksame Sorge seiner „Eltern“ mit Ehrfurcht erwiderte. Damit wollte er die Pflichten der Familie sowie die der Arbeit, die er an der Seite Josefs leistete, heiligen.

III. Der gerechte Mann – der Gemahl Mariens

17. Während seines ganzen Lebens, das ein Pilgerweg im Glauben war, blieb Josef wie Maria bis zum Ende dem Ruf Gottes treu. Das Leben Mariens war die äußerste Erfüllung jenes ersten fiat, das sie bei der Verkündigung gesprochen hatte, während Josef, wie bereits gesagt wurde, bei seiner „Verkündigung“ kein Wort hervorbrachte: er „tat“ einfach, „was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte“ (Mt 1,24). Und dieses erste „Tun“ wurde der Anfang von „Josefs Weg“. Entlang dieses Weges berichten die Evangelien nicht ein Wort, das von Josef gesprochen worden wäre. Aber Josefs Schweigen hat eine besondere Bedeutung: man kann daran die Wahrheit ablesen, die in dem Urteil des Evangeliums über ihn enthalten ist: er war „gerecht“ (Mt 1,19).

Man muß diese Wahrheit richtig zu lesen verstehen, denn sie enthält eines der wichtigsten Zeugnisse über den Menschen und seine Berufung. Im Laufe der Generationen liest die Kirche immer aufmerksamer und bewußter ein solches Zeugnis, wobei sie aus dem reichen Vorrat dieser einzigartigen Gestalt „Neues und Altes“ hervorholt (vgl. Mt 13,52).

18. Der „gerechte Mann“ aus Nazaret besitzt vor allem die klaren Wesensmerkmale des Ehemannes. Der Evangelist spricht von Maria als „einer Jungfrau, die mit einem Mann namens Josef verlobt war“ (Lk 1,27). Ehe „das Geheimnis, das von Ewigkeit an in Gott verborgen war“ (Eph 3,9), Wirklichkeit zu werden beginnt, stellen uns daher die Evangelien das Bild des Ehemanns und der Ehefrau vor Augen. Nach der Gepflogenheit des jüdischen Volkes wurde die Eheschließung in zwei Abschnitten vollzogen: zuerst wurde die gesetzliche Eheschließung (eigentliche Ehe) gefeiert, und erst nach einiger Zeit nahm der Mann die Frau zu sich in sein Haus. Bevor Josef mit Maria zusammenlebte, war er also bereits ihr „Mann“; Maria jedoch bewahrte in ihrem Innersten das Verlangen, sich Gott allein ganz hinzugeben. Man könnte sich fragen, wie sich dieses Verlangen mit der „Vermählung“ in Einklang bringen lasse. Die Antwort kommt einzig und allein von der Entwicklung des Heilsgeschehens, das heißt vom besonderen Handeln Gottes selbst. Bereits im Augenblick der Verkündigung weiß Maria, daß sie ihren Vorsatz, jungfräulich zu bleiben und sich Gott in vollkommener und ausschließlicher Weise zu weihen, ausführen muß, um überhaupt in den Stand zu gelangen, Mutter des Gottessohnes zu sein. Die Mutterschaft durch das Wirken des Heiligen Geistes ist die Form der Hingabe, die Gott selbst von der Jungfrau, die mit Josef „verlobt ist“, erwartet. So spricht Maria ihr fiat.

Der Umstand, daß sie mit Josef „verlobt“ ist, ist in dem Plan Gottes enthalten. Darauf weisen die beiden von uns zitierten Evangelisten, besonders aber Matthäus, hin. Die an Josef gerichteten Worte sind sehr bezeichnend: „Fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist“ (Mt 1,20). Sie erläutern das Geheimnis der Frau Josefs: Maria ist trotz ihrer Mutterschaft Jungfrau. In ihr nimmt „der Sohn des Höchsten“ einen menschlichen Leib an und wird „der Menschensohn“.

Als sich Gott mit den Worten des Engels an Josef wendet, wendet er sich an ihn als den Mann der Jungfrau von Nazaret. Was sich in ihr durch das Wirken des Heiligen Geistes vollzogen hat, ist zugleich Ausdruck und besondere Bestätigung der ehelichen Bindung, die bereits vorher zwischen Josef und Maria bestand. Der Himmelsbote sagt ganz klar zu Josef: „Fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen“. Das, was vorher geschehen war – seine Vermählung mit Maria – war also nach dem Willen Gottes geschehen und wurde daher bewahrt. In ihrer Gottesmutterschaft muß Maria als „eine Jungfrau und Frau eines Mannes“ (vgl. Lk 1,27) weiterleben.

19. In den Worten der nächtlichen „Verkündigung“ vernimmt Josef´ nicht nur die göttliche Wahrheit über die unaussprechliche Berufung seiner Frau, sondern er hört außerdem wieder die Wahrheit über die eigene Berufung. Dieser „gerechte“ Mann, der ganz im Geist der vornehmsten Traditionen des auserwählten Volkes die Jungfrau aus Nazaret liebte und sich mit ihr in ehelicher Liebe verbunden hatte, wird von Gott nochmals zu dieser Liebe berufen.

„Josef tat, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich“ (Mt 1,24); das Kind, das sie erwartet, „ist vom Heiligen Geist“: muß man nicht aus diesen Aussagen schließen, daß auch seine Liebe als Mann vom Heiligen Geist neu belebt wird? Muß man nicht daran denken, daß die Liebe Gottes, die durch den Heiligen Geist in das Herz des Menschen ausgegossen ist (vgl. Röm 5,5), jede menschliche Liebe in vollkommenster Weise gestaltet? Sie gestaltet auch – und das in einzigartiger Weise – die bräutliche Liebe der Ehegatten, indem sie in ihr all das vertieft, was menschlich würdig und schön ist, was die Merkmale der ausschließlichen Hingabe, der Verbundenheit der Personen und der echten Gemeinschaft nach dem Vorbild der Dreifaltigkeit an sich trägt.

„Josef ... nahm seine Frau zu sich. Er erkannte sie aber nicht, bis sie ihren Sohn gebar“ (Mt 1,24–25). Diese Worte weisen auch auf eine andere eheliche Nähe hin. Die Tiefe dieser Nähe und die Intensität der geistigen Einheit und des Kontakts zwischen den Personen – des Mannes und der Frau – stammen letztlich aus dem Geist, der lebendig macht (vgl. Joh 6,63). Josef, der dem Geist gehorsam war, fand eben in ihm aufs neue die Quelle der Liebe, seiner ehelichen Liebe als Mann, und diese Liebe war größer als jene, die sich „der gerechte Mann“ nach der Möglichkeit seines menschlichen Herzens hätte erwarten können.

20. In der Liturgie wird Maria als die gefeiert, „die durch ein Band ehelicher und jungfräulicher Liebe mit Josef, einem gerechten Mann, verbunden ist“.[31] Es handelt sich tatsächlich um zwei Weisen der Liebe, die gemeinsam das Geheimnis der Kirche als Jungfrau und Braut darstellen, die in der Ehe von Maria und Josef ihr Symbol findet. „Die Jungfräulichkeit und die Ehelosigkeit für das Reich Gottes stehen in keinerlei Widerspruch zum hohen Wert der Ehe, sondern setzen ihn voraus und bekräftigen ihn. Ehe und Jungfräulichkeit sind die beiden Weisen, das eine Geheimnis des Bundes Gottes mit seinem Volk darzustellen und zu leben“,[32] der eine Liebesgemeinschaft zwischen Gott und den Menschen ist.

Durch seine völlige Selbstübereignung bringt Josef seine hochherzige Liebe zur Gottesmutter zum Ausdruck, indem er mit ihr die Ehe eingeht. Obwohl er beschlossen hatte sich zurückzuziehen, um dem Plan Gottes, der in ihr Wirklichkeit werden sollte, nicht im Wege zu stehen, behält er sie auf die ausdrückliche Anweisung des Engels hin bei sich und respektiert ihre ausschließliche Zugehörigkeit zu Gott.

Andererseits erwachsen Josef aus der Ehe mit Maria seine einzigartige Würde und seine Rechte über Jesus. „Sicher steht die Würde der Muttergottes so hoch, daß es nichts Erhabeneres geben kann; da aber zwischen der seligen Jungfrau und Josef ein Eheband geknüpft worden war, besteht kein Zweifel, daß er jener höchsten Würde, aufgrund welcher die Muttergottes alle Geschöpfe weit überragt, näherkommt als sonst irgendjemand. Da die Ehe die höchste Gemeinschaft und Freundschaft ist, mit der sich ihrer Natur nach die Gütergemeinschaft verbindet, ergibt sich daraus, daß Gott, wenn er Josef der Jungfrau zum Mann gegeben hat, ihn ihr nicht nur als Lebensgefährten, Zeugen ihrer Jungfräulichkeit und Beschützer ihrer Ehre gegeben hat, sondern auch, damit er durch den Ehevertrag an ihrer herausragenden Größe teilhabe“.[33]

21. Ein solches Band der Liebe bestimmte das Leben der heiligen Familie, zunächst in der Armseligkeit in Betlehem, dann im Exil in Ägypten und danach am Wohnsitz in Nazaret. Die Kirche umgibt diese Familie mit tiefer Verehrung und stellt sie allen Familien als Vorbild hin. Die direkt in das Geheimnis der Menschwerdung einbezogene Familie von Nazaret stellt selbst ein Geheimnis besonderer Art dar. Und zu diesem Geheimnis gehört – so wie bei der Menschwerdung – die wahre Vaterschaft: die menschliche Gestalt der Familie des Gottessohnes – eine vom göttlichen Geheimnis gestaltete echte menschliche Familie. In ihr ist Josef der Vater; seine Vaterschaft geht nicht auf die Zeugung von Kindern zurück; trotzdem ist sie nicht „scheinbar“ oder nur „Ersatz“, sondern sie besitzt die volle Authentizität der menschlichen Vaterschaft, des väterlichen Auftrags in der Familie. Darin ist eine Folge der hypostatischen Einheit enthalten: das in der Einheit der göttlichen Person des Sohn gewordenen Wortes, Jesus Christus, angenommene Menschsein. Mit der Annahme des Menschseins wird in Christus auch alles „angenommen“, was menschlich ist, insbesondere die Familie als erste Dimension seiner irdischen Existenz. In diesem Zusammenhang wird auch die menschliche Vaterschaft Josefs „angenommen“.

Aufgrund dieses Prinzips gewinnen die Worte Mariens an den zwölfjährigen Jesus im Tempel ihre richtige Bedeutung: „Dein Vater und ich haben dich ... gesucht“. Das ist keine herkömmliche Redensart: die Worte der Mutter Jesu weisen auf die ganze Wirklichkeit der Menschwerdung hin, die zum Geheimnis der Familie von Nazaret gehört. Josef, der von Anfang an durch den „Gehorsam des Glaubens“ seine menschliche Vaterschaft über Jesus angenommen hat, indem er dem Licht des Heiligen Geistes folgte, das dem Menschen durch den Glauben zuteil wird, entdeckte gewiß in immer größerem Maße das unsagbare Geschenk dieser seiner Vaterschaft.

IV. Die Arbeit als Ausdruck der Liebe

22. Alltäglicher Ausdruck dieser Liebe im Leben der Familie von Nazaret ist die Arbeit. Der Text des Evangeliums gibt genau die Art der Arbeit an, mit der Josef sich bemühte, den Unterhalt der Familie sicherzustellen: das Zimmermannshandwerk. Hinter diesem einfachen Wort verbirgt sich der ganze Umkreis von Josefs Leben. Für Jesus sind es die Jahre des verborgenen Lebens, von denen der Evangelist nach der Episode im Tempel sagt: „Dann kehrte er mit ihnen nach Nazaret zurück und war ihnen gehorsam“ (Lk 2,51). Diese „Fügsamkeit“, das heißt der Gehorsam Jesu im Haus in Nazaret, ist auch als Teilnahme an der Arbeit Josefs zu verstehen. Er, der als der „Sohn des Zimmermanns“ galt, hatte von seinem vermeintlichen „Vater“ das Handwerk gelernt. Wenn die Familie von Nazaret in der Ordnung des Heils und der Heiligkeit das Beispiel und Vorbild für die menschlichen Familien ist, so gilt das analog auch für die Arbeit Jesu an der Seite des Zimmermanns Josef. In unserer Zeit hat die Kirche das auch mit dem auf den ersten Mai festgesetzten liturgischen Gedächtnis Josefs des Arbeiters unterstrichen. Die menschliche Arbeit und im besonderen die manuelle Arbeit finden im Evangelium besondere Beachtung. Zusammen mit dem Menschsein des Gottessohnes ist sie in das Geheimnis der Menschwerdung aufgenommen, so wie sie auch in besonderer Weise erlöst wurde. Dank seiner Werkbank, an welcher er sein Handwerk zusammen mit Jesus ausübte, brachte Josef die menschliche Arbeit dem Geheimnis der Erlösung näher.

23. Einen beachtlichen Anteil an seinem menschlichen Heranwachsen und seiner Zunahme „an Weisheit, Alter und Gnade“ hatte bei Jesus die Tugend des Fleißes, da ja „die Arbeit ein Gut für den Menschen ist“, das „die Natur umwandelt“ und bewirkt, daß der Mensch „gewissermaßen mehr Mensch wird“.[34]

Die Bedeutung der Arbeit im Leben des Menschen erfordert, daß man sie in ihren Einzelheiten kennenlernt und sich aneignet, „um allen Menschen zu helfen, durch die Arbeit Gott, dem Schöpfer und Erlöser, näherzukommen, an seinem Heilsplan für Mensch und Welt mitzuwirken und in ihrem Leben die Freundschaft mit Christus zu vertiefen und durch den Glauben lebendig teilzunehmen an seiner dreifachen Sendung als Priester, Prophet und König“.[35]

24. Schließlich geht es um die Heiligung des Alltagslebens, die ein jeder seinem Stand entsprechend erlangen soll und die nach einem für alle annehmbaren Vorbild gefördert werden kann: „Der hl. Josef ist das Vorbild der Demütigen, die das Christentum für große Ziele bestimmt; ... er ist der Beweis dafür, daß es, um gute und glaubwürdige Nachfolger Christi zu sein, keiner ,großartigen Dinge’ bedarf, sondern nur allgemeine, menschliche, schlichte, aber wahre und glaubwürdige Tugenden erforderlich sind“.[36]

V. Der Vorrang des Innenlebens

25. Auch über die Arbeit des Zimmermanns im Haus von Nazaret breitet sich dieselbe Atmosphäre des Schweigens aus, die alles, was sich auf die Gestalt des heiligen Josef bezieht, begleitet. Tatsächlich ist das Schweigen das hervorragende Kennzeichen des inneren Wesens dieser Gestalt. Die Evangelien sprechen ausschließlich von dem, was Josef „tat“; übereinstimmend decken sie jedoch in seinen bisweilen von Schweigen umhüllten „Handlungen“ eine Atmosphäre tiefer Beschaulichkeit auf. Josef stand in täglichem Kontakt mit dem „von Ewigkeit her verborgenen“ Geheimnis, das unter dem Dach seines Hauses „Wohnung genommen hat“. Dies erklärt, weshalb zum Beispiel die hl. Theresia von Jesus, die große Reformatorin des beschaulichen Karmel, die Erneuerung der Verehrung des hl. Josef in der abendländischen Christenheit so nachdrücklich förderte.

26. Josefs völlige Übereignung seiner ganzen Existenz an die Erfordernisse des Kommens des Messias in sein Haus findet den angemessenen Grund „in seinem unerforschlichen Innenleben, aus dem ihm einzigartige Anweisungen und Tröstungen zukommen und ihm die einfachen, reinen Seelen eigene Logik und Kraft zu großen Entscheidungen erwachsen, wie jener, seine Freiheit, seine rechtmäßige menschliche Berufung, sein Eheglück sogleich den göttlichen Plänen zur Verfügung zu stellen, indem er den Stand, die Verantwortung und die Last der Familie auf sich nimmt und um einer unvergleichlichen jungfräulichen Liebe willen auf die natürliche eheliche Liebe, die sie begründet und nährt, verzichtet“.[37]

Diese Fügsamkeit gegenüber Gott, die Bereitschaft zur Hingabe in allem, was seinen Dienst betrifft, ist nichts anderes als die Ausübung der Frömmigkeit, die eine der Ausdrucksformen der Tugend der Gottesfurcht darstellt.[38]

27. Die Lebensgemeinschaft zwischen Josef und Jesus läßt uns noch einmal das Geheimnis der Menschwerdung eben unter dem Gesichtspunkt des Menschseins Christi als wirksames Werkzeug des göttlichen Willens zur Heiligung der Menschen betrachten: „Kraft seiner Göttlichkeit waren die menschlichen Handlungen Christi für uns heilbringend, indem sie, sei es wegen des Verdienstes oder aufgrund einer gewissen Wirksamkeit, in uns die Gnade verursachten“.[39]

Unter diesen Handlungen geben die Evangelisten jenen den Vorrang, die das Ostergeheimnis betreffen, unterlassen es aber nicht, die Bedeutung der physischen Berührung mit Jesus in bezug auf die Heilungen (vgl. z.B. Mk 1,41) und den Einfluß hervorzuheben, den er auf Johannes den Täufer ausübte, als beide noch im Mutterschoß waren (vgl. Lk 1,41–44).

Das apostolische Zeugnis hat – wie man sieht – die Erzählung von der Geburt Jesu, von der Beschneidung, von der Darbringung im Tempel, von der Flucht nach Ägypten und vom verborgenen Leben Jesu in Nazaret nicht vernachlässigt, wegen des in solchen „Geschehnissen“ enthaltenen „Geheimnisses“ der Gnade, die alle Heilscharakter besitzen, weil sie an derselben Quelle der Liebe teilhaben: der Göttlichkeit Christi. Wenn sich diese Liebe durch sein Menschsein über alle Menschen ausbreitete, so waren davon wohl an erster Stelle diejenigen gesegnet, die der göttliche Wille in die engste, vertraulichste Nähe zu ihm gestellt hatte: Maria, seine Mutter, und Josef, der vermeintliche Vater.[40]

Wie soll man, da die „väterliche“ Liebe Josefs nicht ohne Einfluß auf die „kindliche“ Liebe Jesu und umgekehrt die „kindliche“ Liebe Jesu nicht ohne Einfluß auf die „väterliche“ Liebe Josefs bleiben konnte, in die Tiefgründigkeit dieser einzigartigen Beziehung vordringen? Die für die Anregungen der göttlichen Liebe empfänglichsten Seelen sehen mit Recht in Josef ein leuchtendes Beispiel des inneren Lebens.

Außerdem wird die scheinbare Spannung zwischen dem tätigen und dem beschaulichen Leben in ihm in idealer Weise überwunden, was nur dem möglich ist, der die Vollkommenheit der Liebe besitzt. Der bekannten Unterscheidung zwischen der Liebe zur Wahrheit (caritas veritatis) und der Notwendigkeit der Liebe (necessitas caritatis) folgend,[41] können wir sagen, daß Josef sowohl die Liebe zur Wahrheit, das heißt die reine betrachtende Liebe zur göttlichen Wahrheit, die von der Menschheit Christi ausstrahlte, gelebt hat als auch notwendige Nächstenliebe, das heißt die ebenso reine Liebe des Dienstes, den die Obhut und Entfaltung eben dieser Menschheit von ihm verlangte.

VI. Patron der Kirche unserer Zeit

28. Da Pius IX. in schwieriger Zeit die Kirche dem besonderen Schutz des heiligen Patriarchen Josef anvertrauen wollte, erklärte er ihn zum „Patron der katholischen Kirche“.[42] Der Papst wußte, daß er damit nicht eine weit hergeholte Geste vollzog, denn aufgrund der herausragenden Würde, die Gott diesem treuen Diener gewährt hatte, „hielt die Kirche nach der seligen Jungfrau, seiner Frau, stets den heiligen Josef hoch in Ehren und bedachte ihn mit Lob und wandte sich vorzugsweise in ihren Bedrängnissen an ihn“.[43]

Welches sind die Gründe für ein so großes Vertrauen? Leo XIII. legt sie wie folgt dar: „Die Gründe dafür, daß der heilige Josef als besonderer Patron der Kirche angesehen werden und die Kirche ihrerseits sich von seinem Schutz und Beistand sehr viel erwarten darf, rühren hauptsächlich daher, daß er der Mann Mariens und vermeintliche Vater Jesu ist ... Josef war zu seiner Zeit rechtmäßiger und natürlicher Hüter, Haupt und Verteidiger der göttlichen Familie. Es ist daher für den heiligen Josef angebracht und seiner höchst würdig, daß er, so wie er einst die Familie von Nazaret in allen Belangen heiligmäßig zu beschützen gewohnt war, jetzt die Kirche Christi mit seinem himmlischen Beistand beschützt und verteidigt“.[44]

29. Dieser Schutz muß erfleht werden; die Kirche braucht ihn immer noch, nicht nur zur Verteidigung gegen die aufkommenden Gefahren, sondern auch und vor allem zur Stärkung ihrer erneuten Anstrengung für die Evangelisierung der Welt und für die Neuevangelisierung in jenen „Ländern und Nationen – wie ich im Apostolischen Schreiben Christifideles laici festgestellt habe –, in denen früher Religion und christliches Leben blühten ... und die nun harte Proben durchmachen“.[45] Um die erste Botschaft von Christus zu bringen oder um sie neu zu verkünden, wo sie vernachlässigt wurde oder in Vergessenheit geriet, braucht die Kirche eine besondere „Gnade von oben“ (vgl. Lk 24,49; Apg 1,8), gewiß ein Geschenk des Geistes des Herrn und verbunden mit der Fürsprache und dem Beispiel seiner Heiligen.

30. Außer auf den sicheren Schutz vertraut die Kirche auch auf das herausragende Beispiel des hl. Josef, ein Beispiel, das über die einzelnen Lebenslagen hinausgeht und sich der ganzen Kirche anbietet, in welcher Situation auch immer sie sich befindet und welches die Aufgaben jedes einzelnen Gläubigen auch sind.

Wie es in der Konstitution des II. Vatikanischen Konzils über die göttliche Offenbarung heißt, muß die Grundhaltung der ganzen Kirche sein, „Gottes Wort voll Ehrfurcht zu hören“,[46] das heißt die absolute Bereitschaft, dem in Jesus geoffenbarten Heilswillen Gottes in Treue zu dienen. Bereits am Anfang der Erlösung des Menschen finden wir das Vorbild des Gehorsams nach Maria eben in Josef verkörpert, der sich durch die treue Ausführung der Gebote Gottes auszeichnet.

Papst Paul VI. forderte dazu auf, Josef, „wie es die Kirche in letzter Zeit zu tun pflegt“, um seinen Beistand anzurufen, „zunächst durch eine spontane theologische Reflexion über die Verbindung des göttlichen mit dem menschlichen Tun in dem großen Heilsplan, in welchem das erste, nämlich das göttliche, ganz sich selbst genügt, aber das zweite, das menschliche, also unser Tun, obwohl allein zu nichts imstande (vgl. Joh 15,5), niemals einer zwar bescheidenen, aber bedingenden und adelnden Mitwirkung enthoben ist. Außerdem ruft die Kirche den Beschützer aus einem tiefen und höchst aktuellen Verlangen an, ihre irdische Existenz mit wahren evangelischen Tugenden, wie sie im heiligen Josef erstrahlen, wiederzubeleben“.[47]

31. Die Kirche setzt diese Erfordernisse in Gebet um. Eingedenk der Tatsache, daß Gott „die Anfänge unserer Erlösung dem aufmerksamen Schutz des hl. Josef anvertraut hat“, bittet sie ihn zu ermöglichen, daß sie in Treue am Heilswerk mitwirkt, daß ihr dieselbe Treue und Reinheit des Herzens, die Josef im Dienst am fleischgewordenen Wort beseelte, zuteil wird, und daß sie nach dem Beispiel und durch die Fürsprache des Heiligen vor Gott hergeht auf den Wegen der Heiligkeit und Gerechtigkeit.[48]

Bereits vor hundert Jahren rief Papst Leo XIII. die katholischen Gläubigen auf, um den Schutz des hl. Josef, des Patrons der ganzen Kirche, zu beten. Die Enzyklika Quamquam pluries berief sich auf jene „väterliche Liebe“, die Josef „dem Knaben Jesus entgeg enbrachte“, und empfahl dem „vorsorglichen Hüter der göttlichen Familie“ „das teure Erbe, das Jesus Christus mit seinem Blut erworben hatte“. Seit damals erfleht die Kirche – wie ich eingangs erwähnt habe – „wegen jener heiligen Liebesbande, die ihn an die unbefleckte Jungfrau und Gottesmuttter band“, den Schutz des hl. Josef und empfiehlt ihm alle ihre Sorgen, auch hinsichtlich der Bedrohungen, die über der ganzen Menschheitsfamilie liegen.

Noch heute aben wir zahlreiche Gründe, in derselben Weise zu beten: „Entferne von uns, geliebter Vater, diese Seuche von Irrtum und Laster ..., stehe uns wohlgesinnt bei in diesem Kampf gegen die Macht der Finsternis ...; und wie du einst das bedrohte Leben des Jesuskindes vor dem Tod gerettest hast, so verteidige jetzt die heilige Kirche Gottes gegen feindselige Hinterlist und alle Gegner“.[49] Auch heute noch haben wir bleibende Gründe, um jeden einzelnen Menschen dem hl. Josef zu empfehlen.

32. Ich wünsche lebhaft, daß die vorliegende Erinnerung an die Gestalt des hl. Josef auch in uns das Gebet, das vor hundert Jahren mein Vorgänger an ihn zu richten empfohlen hat, erneuern möge. Denn gewiß gewinnen dieses Gebet und Josefs Gestalt in bezug auf das neue christliche Jahrtausend eine erneuerte Aktualität für die Kirche in unserer Zeit.

Das II. Vatikanische Konzil hat alle in neuer Weise empfänglich gemacht für die „großen Dinge Gottes“, für jenen „Heilsplan“, dessen besonderer Diener Josef war. Wenn wir uns also dem Schutz dessen empfehlen, dem Gott selber „den Schutz seiner kostbarsten und größten Schätze anvertraut hat“,[50] dann wollen wir zugleich von ihm lernen, dem „Heilsplan“ zu dienen. Möge der hl. Josef für alle ein einzigartiger Lehrmeister im Dienst an der Heilssendung Christi werden, einem Dienst, der in der Kirche jeden einzelnen und alle angeht: die Eheleute und die Eltern, jene, die von ihrer Hände Arbeit oder jeder anderen Arbeit leben, die Personen, die zum beschaulichen Leben wie jene, die zum Apostolat berufen sind.

Der gerechte Mann, der das ganze Erbe des Alten Bundes in sich trug, ist auch in den „Anfang“ des Neuen und Ewigen Bundes in Jesus Christus eingeführt worden. Möge er uns die Wege dieses heilbringenden Bundes weisen, jetzt, an der Schwelle des nächsten Jahrtausends, in welchem dieser Bund fortdauern und die „Fülle der Zeit“ weit fortschreiten muß, die dem unaussprechlichen Geheimnis der Fleischwerdung des Wortes eigen ist.

Der hl. Josef erwirke für die Kirche und für die ganze Welt sowie für jeden von uns den Segen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Gegeben zu Rom, bei St. Peter, am 15. August, dem Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel, im Jahr 1989, dem elften meines Pontifikates.

 


1 Vgl. IRENÄUS, Adversus haereses, IV,23,1: Sources Chrètiennes 100/2, S.692–694.

2 LEO XIII., Enzyklika Quamquam pluries (15. August 1889): Leonis XIII P.M. Acta, IX (1890), S.175–182.

3 Ritenkongregation, Dekret Quemadmodum Deus (8. Dezember 1870): Pii IX P.M. Acta, pars I, vol. V, S.282; PIUS IX., Apost. Schreiben Inclytum Patriarcham (7. Juli 1871), a.a.O., S.331–335.

4 Vgl. JOHANNES CHRYSOSTOMOS, In Matth. Hom. V,3: PG 57,57f. Kirchenlehrer und Päpste haben auch aufgrund der Namensgleichheit auf Josef von Ägypten als Urbild des Josef von Nazaret hingewiesen, um auf irgendeine Weise dessen Dienst und Größe als Hüter der kostbarsten Schätze Gottvaters, nämlich des fleischgewordenen Wortes und seiner allerseligsten Mutter, verhüllt angedeutet zu haben: vgl. z.B. BERNHARD, Super „missus est“, Hom. II,16: S. Bernardi Opera, Ed. Cist., IV, 33 f; LEO XIII., Enzyklika Quamquam pluries (15. August 1889): a.a.O., S.179.

5 II. VATIKANISCHES KONZIL, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 58.

6 Vgl. ebd., Nr. 63.

7 II. VATIKANISCHES KONZIL, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum, Nr. 5.

8 Ebd., Nr. 2.

9 Vgl. II. VATIKANISCHES KONZIL, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 63.

10 II. VATIKANISCHES KONZIL, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum, Nr. 2.

11 RITENKONGREGATION, Dekret Novis hisce temporibus (13. November 1962): AAS 54 (1962), S.873.

12 AUGUSTINUS, Sermo, 51,10,16: PL 38,342.

13 AUGUSTINUS, De nuptiis et concupiscentia, I,11,12: PL 44,421; vgl. De consensu evangelistarum, II,1,2: PL 34,1071; Contra Faustum, III,2: PL 42,214.

14 AUGUSTINUS, De nuptiis et concupiscentia, I,11,13: PL 44,421; vgl. Contra Iulianum, V,12,46: PL 44,810.

15 AUGUSTINUS, Contra Faustum, XXIII,8: PL 42,470 f; De consensu evangelistarum, II,1,3: PL 34,1072; Sermo 51,13,21: PL 38,344 f; THOMAS VON AQUIN, Summa theologica, III, q.29, a.2 in conclus.

16 Vgl. Ansprachen vom 9. u. 16. Januar; 20. Februar 1980: Insegnamenti, III/I (1980), S.88–92; 148–152; 428–431.

17 PAUL VI., Ansprache an die Bewegung „Equipes Notre-Dame“ (4. Mai 1970), Nr. 7: AAS 62 (1970), S.431. Ähnliche Lobpreisung der Familie von Nazaret als absolutes Vorbild der Hausgemeinschaft z.B. bei LEO XIII., Apostolisches Schreiben Neminem fugit (14. Juni 1892): Leonis XIII P.M. Acta, XII (1892), S.149 f; BENEDIKT XV., Motu proprio Bonum sane (25. Juli 1920): AAS 12 (1920), S.313–317.

18 Apostolisches Schreiben Familiaris consortio (22. November 1981), Nr. 17: AAS 74 (1982), S.100.

19 Ebd., Nr. 49: a.a.O., S.140; vgl. II. VATIKANISCHES KONZIL, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 11; Dekret über das Laienapostolat Apostolicam Actuositatem, Nr. 11.

20 Apostolisches Schreiben Familiaris consortio (22. November 1981), Nr. 85: AAS 74 (1982), S.189–190.

21 Vgl. JOHANNES CHRYSOSTOMOS, In Matth. Hom. V,3: PG 57,57 f.

22 PAUL VI., Ansprache (19. März 1966): Insegnamenti, IV (1966), S.110.

23 Vgl. Missale Romanum, Collecta in „Sollemnitate S. Ioseph Sponsi B.M.V.“.

24 Vgl. ebd., Praefatio in „Sollemnitate S. Ioseph Sponsi B.M.V.“.

25 Enzyklika Quamquam pluries (15. August 1889): a.a.O., S.178.

26 PIUS XII., Rundfunkbotschaft an die Studenten der katholischen Schulen der Vereinigten Staaten von Amerika (19. Februar 1958): AAS 50 (1958), S.174.

27 ORIGENES, Hom. XIII in Lucam, 7: Sources Chrètiennes 87, S.214.

28 Vgl. ORIGENES, Hom. XI in Lucam, 6: Sources Chrètiennes 87, S.194 und 196.

29 Vgl. Missale Romanum, Prex Eucharistica I.

30 RITENKONGREGATION, Dekret Quemadmodum Deus (8. Dezember 1870): a.a.O., S.282.

31 Collectio Missarum de Beata Maria Virgine, I, „Sancta Maria de Nazareth“, Praefatio.

32 Apostolisches Schreiben Familiaris consortio (22. November 1981), Nr. 16: a.a.O., S.98.

33 LEO XIII., Enzyklika Quamquam pluries (15. August 1889): a.a.O., S.177 f.

34 Vgl. Enzyklika Laborem exercens (14. September 1981), Nr. 9: AAS 73 (1981), S.599 f.

35 Ebd., Nr. 24: a.a.O., S.638. Die Päpste der jüngsten Zeit haben immer wieder den hl. Josef als „Vorbild“ der Arbeiter hingestellt; vgl. z.B. LEO XIII., Enzyklika Quamquam pluries (15. August 1889): a.a.O., S.180; BENEDIKT XV., Motu proprio Bonum sane (25. Juli 1920): a.a.O., S.314–316; PIUS XII., Ansprache (11. März 1945), Nr. 4: AAS 37 (1945), S.72; Ansprache (1. Mai 1955): AAS 47 (1955), S.406; JOHANNES XXIII., Rundfunktbotschaft (1. Mai 1960): AAS 52 (1960), S.398.

36 PAUL VI., Ansprache (19. März 1969): Insegnamenti, VII (1969), S.1268.

37 Ebd.: a.a.O., S.1267.

38 Vgl. THOMAS VON AQUIN, Summa theologica, II-IIae, q.82, a.3, ad 2.

39 Ebd., III, q.8, a.1, ad 1.

40 Vgl. PIUS XII., Enzyklika Haurietis aquas (15. Mai 1956), III: AAS 48 (1956), S.329 f.

41 Vgl. THOMAS VON AQUIN, Summa theologica, II-IIae, q.182, a.1, ad 3.

42 Vgl. RITENKONGREGATION, Dekret Quemadmodum Deus (8. Dezember 1870), a.a.O., S.283.

43 Ebd., a.a.O., S.282 f.

44 LEO XIII., Enzyklika Quamquam pluries (15. August 1889): a.a.O., S.177–179.

45 Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifideles laici (30. Dezember 1988), Nr. 34: AAS 81 (1989), S.456.

46 Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum, Nr. 1.

47 PAUL VI., Ansprache (19. März 1969): Insegnamenti, VII (1969), S.1269.

48 Vgl. Missale Romanum, Collecta: Super oblata in „Sollemnitate S. Ioseph Sponsi B.M.V.“; Post commun. in „Missa votiva S. Ioseph“.

49 Vgl. LEO XIII., „Oratio ad Sanctum Iosephum“, unmittelbar nach dem Text der Enzyklika Quamquam pluries (15. August 1889): Leonis XIII P.M. Acta, IX (1890), S.183.

50 RITENKONGREGATION, Dekret Quemadmodum Deus (8. Dezember 1870): a.a.O., S.282.